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Der geheime Code der Liebe Mein Freund bekommt im Alter Hartz IV – und möchte mit in mein Haus ziehen

Karin ist Witwe und gut abgesichert. Sie lebt alleine in einem großen Haus, genießt ihre Freiheit - und die Beziehung zu ihrem neuen Freund. Doch der ist finanziell nicht so gut aufgestellt wie sie, was immer wieder zu Problemen führt. Sie bittet Julia Peirano um Rat.

Liebe Frau Dr. Peirano,
Ich, 62, bin seit 10 Jahren Witwe. Mein Mann war Professor, ich bin Beamtin, seit zwei Jahren in Teilzeit. Seit fünf Jahren habe ich einen neuen Freund (64). Wir wohnen getrennt. Ich wohne in meinem eigenen Haus, er in einer kleinen Wohnung, in der er auch sein Büro als IT-Spezialist hat. Leider ist mein Freund schon früher mit einer Firma in Insolvenz gegangen und hat sich jetzt wieder eine kleine Existenz aufgebaut. Es fehlen ihm jedoch Aufträge, er nimmt meiner Meinung nach Dumping-Preise und seine Werbestrategie ist nicht überzeugend. Er hat zum Beispiel Werbebroschüren verschickt, die vor Rechtschreibfehlern nur so strotzen.
Ich halte mich aus der Arbeit meines Freundes weitgehend heraus, bin aber mitunter genervt, dass er auch am Wochenende am Schreibtisch sitzt, obwohl er so wenig verdient. Das passt für mich nicht zusammen. Mein eigentliches Problem ist, dass mein Freund in letzter Zeit häufiger gesagt hat, dass wir keine richtige Perspektive haben. Er möchte, wenn wir beide nicht mehr arbeiten, mit mir zusammen wohnen. Das kann ich mir aber überhaupt nicht vorstellen! Ich habe mich jahrelang an die Familie (meinen Mann und drei mittlerweile erwachsene Kinder) angepasst, Streit geschlichtet, Lieblingsessen gekocht und allen hinterher geräumt. Jetzt genieße ich es, die Herrin im eigenen Haus zu sein.
Außerdem gefällt es mir, mein eigenes Geld zu haben und mir auch mal etwas besonderes zu leisten (z.B. den Garten neu anzulegen, essen zu gehen). Ich verbringe gerne meine Freizeit mit meinem Freund, aber ich finde es auch gut, wenn jeder sein eigenes Zuhause hat. Wir verstehen uns eigentlich sehr gut, wir gehen spazieren, treffen Freunde, kochen zusammen und machen Kurzreisen. Was mir jedoch Sorgen macht, ist sein ungeregeltes Einkommen. Er verdient jetzt schon sehr wenig, und für vieles reicht es nicht. Ich habe ihm schön öfters zu Weihnachten Kurzreisen geschenkt oder lade ihn öfters zum Essen ein. Aber ich sehe an befreundeten Ehepaaren, wie diese ihr Leben gestalten: Reisen, Theater, Oper etc., schöne Hotels, das Haus renovieren. Ich habe mir das mit meinem Ehemann auch gewünscht, aber ich sehe schwarz, wenn ich an die Rente meines Freundes denke.
Ich merke, dass er sehr schlechte Laune kriegt und unsere Beziehung anzweifelt, wenn ich andeute, dass ich auch in Zukunft alleine wohnen möchte. Er nennt mich auch schon mal egoistisch, was mich sehr ärgert.
Wie gehe ich denn mit der Situation um?
Viele Grüße
Karin A.

Liebe Karin A.,
ehrlich gesagt hört es sich für mich so an, als wenn die Probleme mit Ihrem Freund erst noch so richtig losgehen werden, und zwar wenn Sie beide berentet sind. Denn zumindest finanziell sind Sie beide ganz und gar nicht auf Augenhöhe. Sie haben sich durch Ihre eigene Arbeit und durch die Absicherung durch Ihren Ehemann ein schönes Polster geschaffen. Sie haben ein eigenes Haus und eine sichere Beamtenpension, so dass Sie nicht nur Ihre Grundbedürfnisse abdecken können, sondern sich auch schöne Dingen leisten können: Verschönerungen in Haus und Garten, Reisen, Essen gehen usw.
Ihr Freund hingegen steht ganz anders da. Jetzt ist er finanziell am Knapsen und macht sich Sorgen, was ja auch die Arbeit am Wochenende zeigt, und wenn er in Rente geht, wird es voraussichtlich noch enger. Um ein sehr deutliches Bild zu benutzen: Sie fahren auf einer komfortablen Motoryacht, während Ihr Freund in einem Ruderboot (mit Leck) sitzt. Wenn er Sie nun fragt, ob er bei Ihnen an Bord kommen kann, so geschieht das eben nicht nur aus Freude an der Gemeinsamkeit, sondern auch, weil ihm das Wasser bis zum Hals steht und er gerettet werden möchte. Ihr Freund ist in wenigen Jahren, so wie es scheint, auf die Unterstützung durch andere angewiesen ist. Sei es durch Sie und die Teilhabe an Ihrem komfortablen Leben, oder sei es durch staatliche Versorgung (Hartz IV).
In Liebesbeziehungen ist es heutzutage oft verpönt, über Geld zu sprechen und die nackten Fakten auf den Tisch zu legen. Das gilt vor allem, wenn es finanziell für einen Partner nicht gut läuft und er auf Hilfe angewiesen ist. Und noch komplizierter wird es, wenn der Mann derjenige ist, der finanziell von der Partnerin abhängig ist- Frauen können es mit Ihrer Rolle oft leichter vereinbaren, von Ihrem Partner versorgt zu werden. Nur leider sieht es so aus, als wenn Sie dieses Tabu aufbrechen müssen, denn es ist keine gute Option, den Konflikt, der auf Sie beide zukommt, zu verleugnen. Das würde nämlich bedeuten, dass Sie beide so tun, als wären Sie finanziell gleich gestellt und die Motoryacht wäre Ihre gemeinsame. Konkret würde das bedeuten, dass Sie stillschweigend Ihren Freund finanziell unterstützen, ihn bei sich einziehen lassen und durch Geschenke dafür sorgen, dass er mit ihnen reisen und essen gehen kann. Ich rate Ihnen insbesondere deshalb davon ab, weil Sie über Jahrzehnte Ihre Familie und Ihre Kinder versorgt haben und nicht wieder in Ihrer Partnerschaft die Versorgerin für Ihren erwachsenen Partner sein wollen.
Die Alternative wäre, in der Beziehung alles mögliche zu trennen: Sie leben Ihr bequemes Leben weiter, reisen mit Freundinnen oder Ihren Kindern, und Ihr Freund muss gemäß seines sehr viel kleineren Geldbeutels viel sparsamer leben. Spüren Sie mal nach, wie sich diese Option für Sie anfühlen würde- und wie für Ihren Freund? Er bezeichnet Sie jetzt schon als egoistisch (was ich, nebenbei gesagt, unfair finde). Wie wäre es, wenn sich die "Zwei-Klassen-Gesellschaft" auch in Ihrer Beziehung deutlich abbildet? Vermutlich schwierig!
Die dritte Variante wäre es, das Gespräch mit Ihrem Freund zu suchen und das Thema der Altersvorsorge und des realistischen Lebensstandards im Rentenalter mit ihm offen anzusprechen. Das hieße: genaue Zahlen auf den Tisch! Und ebenso kommen Ihre und seine Erwartungen an das eigene und das gemeinsame Leben offen zur Sprache. Gar nicht so einfach!
Es ist zu erwarten, dass dieses Gespräch für Ihnen beiden Bauchschmerzen macht, da es den Verleugnungsballon zum Platzen bringt. Aus meiner Erfahrung müssten Sie damit rechnen, dass Ihr Freund zunächst einmal ärgerlich wird und Ihnen möglicherweise Vorwürfe macht, dass Sie ihn bloßstellen oder egoistisch sind. Stellen Sie sich auf diese Wut ein und versuchen Sie, ganz ruhig dabei zu bleiben, dass Sie zuerst einmal die Fakten sichten möchten, um zu wissen, wie es bei Ihnen jeweils im Rentenalter aussieht.
Wenn das Gespräch (eventuell erst nach mehreren Anläufen) dazu führt, dass Sie Klarheit über Ihre und seine Rentenprognose haben, wäre dann der nächste Schritt, das Ungleichgewicht aufzudecken und darüber zu sprechen, wie Sie beide damit umgehen möchten. Denn nur dann, wenn Ihr Freund Verantwortung für seine (abhängige) finanzielle Situation übernimmt und Lösungen aufdeckt, haben Sie eine Chance, mit dem objektiv bestehenden Ungleichgewicht zu leben. Wie sieht es zum Beispiel aus, wenn Ihr Freund sich eine Reise nicht leisten kann, die Sie gerne machen möchten? Wie könnten Sie beide mit der getrennten Wohnsituation glücklich werden?
Und noch etwas: Seien Sie sehr behutsam mit Bewertungen. Wenn Ihr Freund durchklingen lässt, dass er Sie egoistisch findet oder Sie ihm durch die Blume zu verstehen geben, dass er es im Leben nicht viel erreicht hat, eskaliert die Situation. Also bleiben Sie wirklich lösungsorientiert, trotz aller Differenzen.
Mit freundlichen Grüßen
Julia Peirano

Liebe Leserinnen und Leser,
bitte teilen Sie Ihre eigenen Empfindungen beim Lesen der Fragestellung mit uns! Auch Ihr eigenen Erfahrungen sind sehr wertvoll!
Doch bitte denken Sie immer daran, dass die ratsuchende Person etwas sehr Intimes von sich berichtet und dafür einen geschützten Raum braucht. Deshalb schreiben Sie bitte immer respektvoll und konstruktiv. Entwertende oder gehässige Kommentare (auch gegen andere Leser oder mich) sind ausdrücklich nicht erwünscht, um den geschützten Raum zu erhalten.
Danke für Ihr Verständnis
Herzliche Grüße
Julia Peirano

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