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Der geheime Code der Liebe Meine Freundin ist Borderlinerin – darf ich mich trotzdem trennen?

Liebe Frau Peirano,

ich habe mich 2012 von meiner Frau und leider auch unseren Kindern getrennt. Eine Fernbeziehung danach war sehr schwierig und ist vor einem Jahr von meiner Freundin beendet worden. Einige Monate später hatte ich große Sehnsucht nach Liebe und habe über das Internet eine Frau kennengelernt. Wir haben uns in einem Hotel verabredet und eine schöne Nacht miteinander verbracht. Wir fanden, dass es eine große Liebe wäre und wollten zusammenbleiben. Sie erzählte furchtbare Dinge aus ihrem Leben: Gewalt durch den Stiefvater, Kälte der Mutter, Heimkindheit, etliche Suizidversuche, ein halbes Jahr vor unserem Kennenlernen Suizid des letzten Partners. Das hat mich nicht abgeschreckt, sondern meine Liebe eher noch gefestigt – dachte ich.

Danach bin ich immer wieder zu ihr gefahren. Wir schrieben viele SMS, wenn wir gerade nicht zusammen waren. Bald wurde sie darin bei kleinster Irritation sehr aggressiv, anklagend, verletzend. Zum Beispiel war sie sehr eifersüchtig auf meine Ex-Frau und unterstellte mir, dass meine Frau mir wichtiger sei als sie. Dabei wollten weder meine Frau noch ich zurück in die Beziehung- wir haben uns friedlich getrennt und treffen uns in größeren Abständen auf einen Kaffee. Meine Freundin fand das unerträglich. Wenn meine Freundin Ausbrüche hatte, habe ich in den Anfängen ruhig und beschwichtigend reagiert, war aber verstört, dann auch zunehmend wütend, so dass meine Reaktionen härter wurden. Das passierte häufiger, während wir gerade gefunden hatten, es wäre jetzt doch schön, an meinem Wohnort zusammen eine Wohnung zu beziehen. Eine Wohnung war gerade gemietet, einen LKW für den Umzug wollte ich anderntags abholen, da wurde ich erneut beschimpft per SMS.

Da habe ich alles abgesagt und auch die Kündigung meiner alten Wohnung wieder rückgängig gemacht. Sie hatte ihre Wohnung schon gekündigt und musste nun in die neue Wohnung einziehen. Jetzt stellte sich immer wieder die Frage, ob ich zu ihr ziehen soll, ob das gut geht oder nicht. Ich war hin- und hergerissen. Es gab immer wieder heftige SMS – Gefechte. Ich sagte ihr, dass ich bei ihr eine Borderline – Persönlichkeitsstörung vermute. Sie nahm das ernst und ging in die Psychiatrie, – nur für mich, wie sie später sagte.

Ich bin nicht mit ihr zusammengezogen. Ich war über das ganze Geschehen dann im Dezember so zerrüttet, dass ich zwei Wochen lang nicht mehr arbeiten konnte. Nach vielen Angriffen wollte ich mich von ihr trennen. Sie hat mich inständig gebeten, das nicht zu tun, sogar zu ihr zu ziehen. Ich blieb dabei. Danach schrieb sie mir eine Abschieds-SMS. Ich ging schnell zu ihr. Sie hatte Tabletten genommen. Krankenwagen, geschlossene Psychiatrie. Leider habe ich mich im Laufe der Zeit mehrmals von ihr getrennt und bin später wieder zu ihr zurückgekommen, wodurch alles noch schmerzhafter und komplizierter wurde.

Jetzt musste ich aus finanziellen Gründen die neue Wohnung kündigen, in Absprache mit ihr. Sie ist mit einer kleinen Rente bereits frühberentet und hat kein Vermögen. Jetzt bekommt sie hoffentlich eine Mini-Wohnung, dies aber nur, wenn ich die Kaution zahle und für sie bürge. Alle diese Ereignisse haben sie so angegriffen, dass sie seit heute wieder in der Psychiatrie ist.

Beide sind wir völlig erschöpft.

Das ist unsere und meine Geschichte.

Was denken Sie dazu? Wozu raten Sie ihr, wozu raten Sie mir, bitte?

Herzliche Grüße

Bernd M.

Lieber Bernd M.,

Ihre Geschichte ist erschütternd, und ich kann mir gut vorstellen, dass Sie sehr erschöpft sind. Sie haben die Trennung von Ihrer Frau Ihren Kindern (warum eigentlich auch von den Kindern, wenn Sie sich freundschaftlich mit Ihrer Frau verstehen?) hinter sich, danach ist eine Fernbeziehung gescheitert und jetzt durchleben Sie seit knapp einem Jahr dieses zermürbende Beziehungschaos mit Ihrer neuen Partnerin! Kein Wunder, dass Ihre Nerven blank liegen.

Ich lese aus Ihrer Geschichte heraus, dass Sie hin- und hergerissen sind. Auf der einen Seite ist da eine Anziehungskraft für die jetzige Freundin: Sie erschien Ihnen schon nach der ersten Nacht wie die große Liebe, Sie wollten zusammen ziehen und kommen trotz mehrerer Trennungen und andauernder Streitigkeiten nicht von ihr los. Und auf der anderen Seite lese ich aus Ihrer Geschichte extrem viel Angst heraus. Nach dem, was Sie erzählen, finde ich die Angst auch sehr nachvollziehbar und berechtigt: Es gibt dauernd Streit wegen geringfügiger Anlässe, Ihre neue Partnerin erscheint Ihnen sehr instabil und Sie vermuten, dass sie an einer Borderline-Störung leidet. Dazu war sie mehrfach in psychiatrischer Behandlung, hat eine sehr schwierige Kindheit hinter sich und zudem auch noch einen Suizidversuch. Wenn ich das alles lese, kann ich verstehen, dass Ihre Alarmglocken ununterbrochen klingeln.

Wenn ich mir die negative Seite Ihrer Beziehung anschaue und höre, dass Sie sich dringend einen Rat von außen wünschen, kann ich Ihnen ehrlicherweise nur raten: Finger weg. Ihre Beziehung basiert nicht auf Vertrauen, auf guter Kommunikation, auf gegenseitigem Verständnis und gemeinsamen Plänen. Worauf basiert Sie eigentlich dann? Wissen Sie, was die ungeheure Anziehungskraft ausmacht, die Sie immer wieder in die Arme Ihrer Freundin treibt? Es ist sehr wichtig, dass Sie dieser Anziehung auf den Grund gehen- vielleicht erinnert Ihre Freundin Sie an jemanden aus Ihrer Kindheit, mit dem Sie ein ähnlich kompliziertes Verhältnis hatten, das Sie nun wiederholen? Oder haben Sie das Gefühl, dass Sie Ihrer Freundin helfen müssen, da sie ohne Sie verloren wäre?

Ich befürchte, dass Sie nicht der Richtige sind, um Ihrer Freundin zu helfen. Sie schreiben ja selbst, dass Ihre vielen Trennungsversuche und das ganze Hin- und Her die Sache noch viel schlimmer gemacht haben. Wenn Sie Ihrer Freundin freundschaftlich das Geld für die Kaution leihen oder schenken wollen, ist das eine Sache, aber eine instabile Liebesbeziehung mit jemandem zu führen, der in so einer psychischen Krise steckt, ist eine massive Überforderung.

Ihre Freundin hatte die zahlreichen Probleme schon lange vor Ihnen, und in der engen Beziehung mit Ihnen kommen diese Probleme mit Nähe und Distanz, Vertrauen und Misstrauen, Angst und Sehnsucht etc. wieder an die Oberfläche. Ihre Freundin braucht dringend psychologische Unterstützung, und ich hoffe, dass sie mittlerweile verstanden hat, dass sie nicht nur aus Liebe zu Ihnen in Therapie bzw. in die Psychiatrie geht, sondern aus einem starken eigenen Bedürfnis, um wieder alleine auf die Beine zu kommen.

Wenn Sie Angst haben, dass Ihre Freundin sich bei einer endgültigen Trennung etwas antun könnte, sollten Sie darauf drängen, dass Sie in der Psychiatrie mit den behandelnden Psychologen bzw. Psychiatern ein Gespräch zusammen mit Ihrer Freundin führen und über Ihre Trennungsabsichten sprechen. Es ist sehr wichtig, dass Sie zusammen das Risiko für einen Suizid abschätzen und Maßnahmen erarbeiten, um Ihre Freundin zu stabilisieren. Dabei müssen auch Sie sich die Unterstützung der behandelnden Psychologen suchen.

Ich wünsche Ihnen viel Kraft für die kommende Zeit

Ihre Julia Peirano

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