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Der geheime Code der Liebe Seit der Abtreibung ist unsere Beziehung kaputt

Dir Schuldgefühle nach einer Abtreibung zerstört die Beziehung eines eigentlich glücklichen Paares, das bereits zwei Kinder hat. Julia Peirano weiß wie immer, wie das Paar seine Ehe retten kann.

Wir haben schon einen 8-jährigen, leicht geistig behinderten Sohn und eine vierjährige, sehr quirlige Tochter. Meine Frau kümmert sich im Alltag mehr um die Kinder, da ich viel arbeite. Sie war schon früher oft an der Grenze der Erschöpfung. Ab Anfang 2014 ging es aber deutlich besser.
Meine Frau und ich hatten im Sommer 2014 eine sehr gute Phase. Wir waren mit den Kindern im Urlaub, es lief alles entspannt und zwischen uns war es sehr harmonisch. Wir haben im Urlaub mehrmals miteinander geschlafen und bewusst nicht verhütet. Irgendwie war uns klar: Wenn ein Kind kommt, kommt es. Meine Frau kommt aus einer Familie mit 4 Kindern, ich habe zwei Geschwister. Wir wollten immer eine große Familie haben.
Deshalb haben wir es im Urlaub auch drauf ankommen lassen, ob wir noch ein Kind bekommen. Meine Frau wurde sofort schwanger. Ich war leider in der Phase in einer Umschulung und war viel unterwegs. Als sie mir am Telefon sagte, dass sie schwanger ist, weinte sie und fragte immer wieder: Wie soll ich das denn alles schaffen? Ein paarmal hatte sie nachts Albträume, einer davon handelte von einer Totgeburt. Ihr Tinnitus meldete sich wieder. Es war schrecklich.
Ich war von ihrer Reaktion überfordert und wollte nur noch, dass es ihr wieder besser ging. Der Haushalt blieb an mir hängen, weil meine Frau öfters im Bett blieb und es einfach nicht schaffte. Ich hatte eine neue Stelle und hätte mich eigentlich bewähren müssen. Ich kam nicht hinterher. In einem dieser Momente sagte ich, dass wir das Kind nicht bekommen müssen. Wir diskutierten wieder und wieder alle Möglichkeiten durch, wir drehten uns im Kreis und wussten nicht weiter. Die Wochen vergingen. Am Ende ließen wir uns beraten, und dieser Phase ging es ihr besonders schlecht. Sie entschied sich für eine Abtreibung, aber letztlich war es nur die Überforderung. Sie wusste nicht, was sie wollte. Ich auch nicht.
Dennoch zog sie es durch, es war wie im Nebel. Es war eine Kopfentscheidung, gegen das Kind. Als meine Frau aus der Narkose aufwachte, war sie sehr traurig. Sie sagte immer wieder: Wir haben einen riesigen Fehler gemacht, wir hätten das nicht tun dürfen! Das hat sich bis heute (!) nicht gelegt. Sie sagt, sie kann immer nur an das Baby denken, das wir jetzt hätten. Sie stellt sich vor, wie das Kind sie traurig anguckt und sagt: Wie konntet ihr mich töten?
Ich weiß nicht weiter! Ich habe versucht, sie zu trösten, für sie da zu sein, sie in den Arm zu nehmen. Sie lässt es nicht zu. Manchmal stößt sie mich weg, oft ignoriert sie mich einfach. Bis heute steht dieses Thema zwischen uns. Wir können nicht mehr miteinander reden, und "natürlich" schlafen wir auch nicht miteinander. So kann es nicht weiter gehen.
Was raten Sie mir?
Ralf K.

Lieber Ralf K.,
Ihre Geschichte klingt sehr, sehr traurig. Es hört sich so an, als wenn Sie beide bis heute unter gewaltigen Schuldgefühlen leiden und den Verlust Ihres Kindes und Ihre Entscheidung für die Abtreibung noch nicht verarbeitet haben.
Ihr Kopf weiß, dass die Abtreibung schon über ein Jahr her ist, aber Ihr Herz und das Ihrer Frau sind noch lange nicht darüber hinweg. Es ist eine Illusion, zu glauben, dass die Zeit alle Wunden heilt. Manche Wunden verheilen ohne Zutun nie.
Aus meiner Sicht gibt es zwei gravierende Gründe, warum Sie dieses traurige Thema noch nicht verarbeitet haben.
Zum Einen sind Sie beide sehr hin- und hergerissen gewesen zwischen Ihrem Wunsch nach einem dritten Kind und der realen Belastung und Überforderung, die Sie bereits in Ihrer Familie erleben. Es hört sich so an, als wenn beide Alternativen gefühlt falsch gewesen wären: Das Kind zu bekommen war aus Ihrer Sicht gefährlich und falsch, weil es Ihre Frau und damit auch Sie und Ihre Kinder überfordert hätte. Und sich gegen das Kind zu entscheiden, war falsch und löste Schuldgefühle aus, weil Sie es ja eigentlich gewollt hätten und deshalb nicht verhütet haben. Es liegt eine klassische "rechte Katstrophe"- "linke Katastrohe" Auswahl vor. Sie haben sich für die rechte Katastrophe entschieden. Nun leiden Sie unter den Folgen. Die Folgen, die Sie bei der Entscheidung für die Alternative zu tragen gehabt hätten, blenden Sie jetzt aus.
Zum Anderen ist es so, dass Schuldgefühle eine ungeheure Kraft haben. Wenn sie nicht aufgelöst werden, verhindern sie, dass sich neue Gedankenmuster entwickeln können, die das, was man getan hat, relativieren oder aus einem anderen Blickwinkel sehen. Wenn die Schuldgefühle nicht bearbeitet werden, drehen sich die Gedanken unaufhörlich im Kreis und widerholen immer: JA ABER ES IST ALLES MEINE SCHULD.
Schuldgefühle lassen sich mit vernünftigen Argumenten oft nicht widerlegen, vor allem, wenn sie so fest verankert sind. Es ist deshalb wichtig, die Schuldgefühle auf einer gefühlsmäßigen Ebene zu bearbeiten.
Aus diesen Gründen rate ich Ihnen, professionelle Hilfe zu suchen. Ob Sie jeder für sich therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen oder ob Sie gemeinsam eine Therapeutin oder einen Therapeuten aufsuchen, bei der Sie um Ihr Kind trauern können und die Schuldgefühle bearbeiten können, liegt bei Ihnen und Ihrer Frau.
Auf jeden Fall stehen diese unverarbeiteten Erlebnisse zwischen Ihnen, wie Sie ja selbst sagen. Deshalb ist es unerlässlich, die Gefühle, die zwischen Ihnen stehen, zu verarbeiten. Wenn Sie gemeinsam trauern können, schafft das wieder Nähe und Gemeinsamkeiten. Dann stehen die Chancen gut, dass Sie wieder zueinander finden. Ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Kraft bei der Bearbeitung
Herzliche Grüße
Julia Peirano

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Herzliche Grüße
Julia Peirano

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