Nehmen wir mal an, Du bist ein wirklich engagierter Vater. Du hast das Kinderzimmer gestrichen, hast geburtsvorbereitet, Launen ertragen, im Kreißsaal die Nabelschnur durchgeschnitten, ein Vernunftsauto angeschafft, randvolle Windeln souverän gewechselt und Deinem Kind stundenlang einfach nur beim Schlafen zugeguckt. Ach, und Du schleichst natürlich auch bei nächtlicher Ruhestörung jedes zweite Mal schlaftrunken ans Kinderbett, um ein Liedchen zu trällern oder die Flasche zu geben. Und daher erwischt Dich dieser Moment, wenn Du in das Kinderzimmer kommst, Dein Kind Dich aus den Augenwinkeln sieht - und die Schreie nur noch lauter werden: "Maaaaaaammmmmmaaaaaa"!!!!!!
Eins gleich mal vorweg. Du hast nichts falsch gemacht. Du bist ein supergeiler Vater. Dieser Film ist nur für Dich:
Und Du bleibst auch auf jeden Fall der wichtigste Mann im Leben Deines kleinen Mitbewohners. Aber Du bist eben keine Mami. Du hast das Kind nicht in Dir getragen, hast mit hoher Wahrscheinlichkeit eine weniger ausgeprägte Brust und kannst somit auch nicht mithalten in der Tiefe der Verbindung zwischen Mutter und Kind. Aber das musst Du zum Glück auch gar nicht.
Du bist der andere, ebenso wichtige Pol in der Erziehung. Du machst Sachen, die Mama nicht macht. Du kannst Dein Kind höher werfen (und wieder auffangen), bist waghalsiger, guckst lieber Flugzeuge und Schiffe oder auch Eisenbahnen an, kannst die Karre schneller schieben und hast bestimmt auch mindestens ein Ritual zuhause, bei dem Mami gar nicht erst versuchen sollte, Dich zu ersetzen. Abendliches Zähneputzen, die letzte Gute-Nacht-Geschichte oder "blöde Grimassen schneiden".
Und trotzdem kann es insbesondere in den ersten zwei Lebensjahren zu dieser plötzlichen Verlustangst bei den Kleinen kommen. Daher klammern sie sich dann meistens an die Mutter. Es muss gar nicht immer einen konkreten Anlass wie den Start in der KiTa oder den Einsatz von Oma und Opa als Babysitter geben. Euer Kind will einfach nur sichergehen, dass die Bezugsperson in der Nähe bleibt, um aufzupassen. Vielleicht will das Kind aber auch nur austesten, ob sein Willen zum Ziel führt. Die Gründe sind unterschiedlich.
Anfühlen tut sich das für Euch als modernen Papi ziemlich doof. Das habe ich selbst erlebt. Aber macht nicht den Fehler, mit Ablehnung zu reagieren. Nach dem Motto: "...wenn Du nicht willst, dann will ich auch nicht...". Im Gegenteil. Seid weiterhin präsent, bietet Euch an, zeigt Interesse und helft, wenn es nötig ist. Vermittelt, dass Ihr für die Kleinen da seid, denn Kinder müssen sich jederzeit geborgen und sicher fühlen. Meist findet Ihr recht schnell heraus, ob es echte Verlustangst ist - oder nur ein Test. Lasst Euch nicht zu sehr beeinflussen, aber nehmt die Sorgen Eures Kindes ernst. Es ist nur eine Phase...