Anzeige

Das Glück ist ein Turnschuh Fit auf Reisen

Am Anfang jeder Dienstreise stelle ich mir die Frage: Einpacken - oder zu Hause lassen? Gemeint sind damit meine Laufsachen: Sportschuhe, Hose und Shirt. In den USA kosten Koffer im Flieger zusätzlich, deswegen versuche ich immer nur mit Handgepäck zu reisen. Und da sind ein paar Schuhe mehr schnell zu viel.

Jedes Mal kommt es dann zum Showdown: Schlechtes Gewissen gegen den Schweinehund. Leider gewinnt der Schweinhund allzu oft. Meist, weil der Koffer aus allen Nähten platzt. Da nutzt es auch nichts, dass ich weiß, dass schon nach zwei Wochen Pause jeglicher Trainingseffekt für Herz-Kreislauf verpufft ist. Oder dass die positive Wirkung auf den Blutdruck sogar nur knapp 24 Stunden anhält. Und man nach einer Reise-Auszeit im Grunde wieder bei Null anfangen muss.

Alles sehr vernünftige Argumente, aber die Bequemlichkeit war bisher stärker. Nur diesmal war es anders. Es ging für mich nach Montana, die Geschichte eines erschossenen Austauschschülers recherchieren. Ein schwieriges Thema, das für mich als Mutter eines Sohnes auch emotional eine echte Herausforderung ist. Also, kamen die Schuhe in den Koffer. Ein Buch blieb dafür zu Hause. Statt lesen, wollte ich nach getaner Arbeit laufen. Hörte sich nach einem guten Plan und schönen Vorsatz an. Und war mit der Hoffnung verbunden, dass ich mir die Erlebnisse von der Seele rennen könnte.

Wie erwartet waren die Tage voll. Ein Termin folgte dem nächsten. Viele Eindrücke prasselten auf mich ein. Meist kam ich sehr spät ins Hotel. Fiel ins Bett - und konnte trotzdem nicht schlafen. Die Zeitumstellung von New York nach Montana machte mir zu schaffen. Die Nächte waren unruhig. Drei Tage lang quälte ich mich damit, dann griff ich morgens zu den Schuhe.

Es war sogar noch dunkel. Weil es in Strömen regnete und kalt war, ging ich aufs Laufband. Eigentlich mein Horror. Da fühle ich mich immer wie ein Hamster im Laufrad. Der Geruch von abgestandenem Schweiß und Plastikmatten im Fitnessraum erleichterte mir Morgenmuffel den Frühstart nicht. Aber ein geöffnetes Fenster sorgte wenigstens ein bisschen für ein Freiluftgefühl.

Mürrisch lief ich los. Erst langsam. Dann immer schneller. Gewöhnte mich an den sonderbaren Untergrund. Und schon bald machte es Spaß. Statt über Schrotflinten, ihren Durchschlag und die armen Eltern des getöteten Jungen, dachte ich über die Schönheit von Montana nach. Schaute aus dem Fenster und träumte. Die Endorphine taten ihre Arbeit. Wunderbar. Meine Mini-Auszeit dauerte eine Stunde. Dann klingelte das Telefon und die Arbeit ging weiter.

Die folgende Nacht war die erste, in der ich vernünftig schlief. Und am nächsten Morgen fühlte ich mich viel frischer. Wie neu aufgeladen. Erleichtert. Kurzum ein schönes Gefühl. Seitdem habe ich den festen Vorsatz, jetzt immer in meinem Koffer eine kleine Ecke für meine Laufsachen zu finden. Zur Not bleibt eben etwas anderes zu Hause. Mein Schweinehund vielleicht.