Anzeige

Das Glück ist ein Turnschuh Kaltstart

Eine Schlechtwetter-Läuferin ist sie nie gewesen, schreibt Alexandra Kraft. Doch es lohnt sich, den eigenen Schweinehund zu überwinden. Warum, das zeigt ein anderer Sport: Basketball.

Der Winter in New York war einer der härtesten und längsten der letzten 20 Jahre. Absolut kein Laufwetter. Eine kleine Frostbeule am rechten Ohr erinnert mich immer noch dezent juckend an meine letzte Laufrunde Anfang Januar. Lange ist es her. Seitdem stehen die Schuhe als stille Mahnung gleich rechts neben der Haustür. Ein Motivationspsychologe hatte mir mal erklärt, dass man sich damit unterbewusst ein schlechtes Gewissen macht und so regelmäßiger läuft. Mein Unterbewusstsein scheint sehr abgehärtet zu sein und hat darauf überhaupt nicht reagiert. Ich war noch nie ein Schlechtwetterläufer. Ja, das mag verweichlicht sein, aber ich will mich beim Sport wohlfühlen und nicht zittern.

Um nicht total aus der Form zu geraten und vielleicht ein bisschen Ausdauer in den Frühling zu retten, bin ich nun im Winter einmal die Woche in einer Halle um die Ecke zum Basketball gegangen. Als Frau allein unter zehn Männern. Viele, große, starke und sehr breiten Jungs aus der Bronx, die meist seit klein auf, Basketball spielen. Jede Menge Tricks drauf haben und über ein wunderbares Ballgefühl verfügen. Ich stand seit 15 Jahren nicht mehr auf dem Platz. Konnte noch nie den Ball zwischen den Beinen hindurch dribbeln. Kein Wunder, dass ich nur selten den Ball bekam. Aber ich bin schön mit auf und ab durch die Halle gerannt.

Meistens zumindest. Denn Basketball hat ein fieses, fieses Schlupfloch: Man kann sich so wunderbar selbst betrügen. Weil man ja die Verantwortung auf die Mitspieler abwälzen kann. Genau dabei habe ich mich auch erwischt. Momente, in denen ich dann doch einfach stehen geblieben und nicht dem Ball hinterher gelaufen bin, weil ich gerade außer Atem war – und dachte: Das kann jetzt gut mal jemand anderes machen. Harmlose Pausen. Einerseits. Aber eigentlich ein kleiner Selbstbetrug, den ich mir beim Laufen nicht gönne. Da habe ich mein Ziel und wenn ich es nicht angehe, wird es nichts. Da kommen mir kein innerer Schweinehund in den Weg und keine Mitspieler zur Hilfe.

Basketball hat aber auch ein paar echte Vorteile. Die Motivation ist im Grunde eingebaut. Man ist mit einer Gruppe verabredet und gerade wenn man neu irgendwo hingezogen ist, damit eine großartige Gelegenheit soziale Kontakte zu knüpfen. Ich habe in diesen zwei Stunden mittwochs so viel wie kaum zuvor über die USA gelernt. Und: Endlich musste ich mich nicht mehr nur selbst anfeuern. Denn sogar mein übelster Pass wurde von meinen Mitspielern noch gefeiert: „Great, Alexandra.“ Ich liebe den amerikanischen Sportsgeist.

Nun geht es aber wieder zurück auf die Straße und Feldwege. Weil es dann doch gesünder ist und besser zwischen Arbeit und Mutter sein passt. Denn ich kann es immer und überall tun. Aber schon fehlen mir die Anfeuerungen. Jetzt bin ich wieder alleine mit mir und muss selber versuchen, in den Takt zu kommen. Gestern Abend auf dem Sofa fand ich die Idee, laufen zu gehen noch großartig. Heute bin ich doch wieder anderer Meinung: Zu kalt, zu windig und soll es nicht auch gleich regnen? Vielleicht wäre doch übermorgen ein besserer Tag anzufangen. Zog es mir nicht heute morgen schmerzhaft durch den Oberschenkel? Nicht, dass der Muskel gleich schlapp macht. Die Schuhe rechts neben der Tür ignoriere ich. Und bin auch schon fast in der Dusche, als mein Sohn Jacob um die Ecke kommt. Mit einem Anmeldeformular. Zu einem 4 Meilen-Lauf seiner Schule am kommenden Samstag. „Mama, da musst du mit mir laufen, ich darf erst ab 13 Jahren alleine.“ Oh.

Ich mache kehrt. Ziehe mir eine warme Jacke an, hole eine Mütze hervor und rufe Jacob zu: „Ich gehe laufen. Bin in einer halbe Stunde wieder da.“ Denn plötzlich habe ich das Gefühl, heute ist genau der richtige Tag für einen Neubeginn.

VG-Wort Pixel