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Gefährlicher Trend Anabolika für die Muskeln, kein Marathon ohne Aspirin: So heftig dopen Freizeitsportler

Ein Mann spritzt ein Medikament in seinen Oberarm
Auch Freizeitsportler dopen. Die Dunkelziffer ist hoch, sogar gefährliche Medikamente wie Anabolika sind weit verbreitet.
© MilanMarkovic/ Getty Images
Fußballer müssen nach dem Spiel zur Dopingprobe. Freizeitathleten nicht – aber auch die greifen immer häufiger zu illegalen Mitteln, um ihre Leistung zu verbessern. Doping ist weiter verbreitet als viele denken – auch unter Läuferinnen und Läufern.

Um mich herum ist das Marathon-Fieber ausgebrochen. Das ist jedes Jahr um die Zeit so. Marathons sind populär, auch jetzt wieder, da die Corona-Beschränkungen langsam aufgehoben werden. Die Anmeldezahlen steigen stetig. Auch in meinem Freundeskreis.

Nur leider hören sich viele Gespräche über das Training zum Marathon wie medizinische Proseminare an. Plantarfasziitis, also Fersensporn, Entzündung der Patellasehne, Periostitis der Tibia, Schmerzen im Schienbein. Und so weiter und so fort. Die Liste der Beschwerden ist lang. Auslöser ist meist falsches und zu intensives Training. Oft würde es schon helfen, einen Gang runter zu schalten. Aber dazu sind leider die wenigsten bereit, denn sie fürchten, darunter könnte am Ende ihre Laufzeit leiden. Die aber ist für viele heute ein wichtiges Zeugnis für die eigene Leistungsfähigkeit.

Viele greifen vor Wettbewerben zu Schmerzmitteln

Statt zu rasten, greifen viele zu Schmerzmitteln. Auch von meinen Freunden. Einige geben sogar zu, dass sie glauben, ohne Aspirin, Ibuprofen oder Paracetamol die Belastungen eines Marathons nicht durchstehen zu können. Ein Trend, der sich auch mit Zahlen belegen lässt. Jeder zweite Marathonläufer sagt, dass er vor dem Start zu Schmerzmitteln greift. Schon lange warnen Mediziner vor der gefährlichen Entwicklung. Denn die Tabletten sind bei weitem nicht so harmlos, wie viele meinen. Erstens, weil Schmerzen ein Warnsignal des Körpers sind und es grundsätzlich keine gute Idee ist, sie zu ignorieren. Und zweitens haben die Mittel – besonders für Läufer unter einer hohen körperlichen Belastung – erhebliche Nebenwirkungen. Blut im Urin, Übelkeit und Erbrechen sind leichte Folgeschäden. Überlastete Muskeln zerfallen regelrecht. Im schlimmsten Fall droht sogar Organversagen. 

Marathon ist längst ein Sport für Jedermann. Aber offensichtlich ist nicht jeder, der an den Start geht, bereit, sich nur durch hartes und konsequentes Training dafür fit zu machen. Beim Doping scheinen Profis wie Lance Armstrong und Co. auch für Freizeitsportler Vorbilder zu sein. Übermäßiger Schmerzmittelgebrauch ist auch im Radsport, bei Schwimmwettbewerben oder in Fitnessstudios nicht unbekannt, wie ein Blick in Chatforen verrät.

Laut einer Umfrage der Techniker Krankenkasse findet jeder Sechste unter 25 Jahren nichts dabei, Medikamente einzunehmen, um so eine bessere Leistung zu erbringen. Jeder Dritte griff schon selbst zu Schmerzmitteln und jeder Vierte zu Erkältungspräparaten. Denn die haben eine anregende Wirkung. Auch Asthmamittel sind heute unter Freizeitathleten und Profisportlern gleichermaßen beliebt. Ihr Einsatz kann die Leistungsfähigkeit deutlich steigern, denn sie erleichtern die Sauerstoffaufnahme. Außerdem wirken sie auch auf die Muskulatur und können den Aufbau anregen.

Wo verläuft die Grenze? Wo beginnt Doping?

Welch Wahnsinn. Wofür das alles? Viele meiner Freunde sind der Meinung, hier und da eine Tablette und ein bisschen Spray sei gar kein Doping. Ich finde das nicht. Für mich beginnt Doping dort, wo ich versuche, meinen Körper mit Medikamenten zu einer besseren Leistung zu verhelfen. Egal, ob mit legalen oder illegalen Mitteln. Dazu zählt auch, wenn ich eine Verletzung habe, die eigentlich eine Pause erfordert, ich mich aber mit Cortison oder anderen Medis vom Arzt gesund spritzen lasse.

Wo bleibt denn so der Gedanke, dass Sport etwas Gesundes, etwas Heilsames für den Körper ist? Sport ist nicht nur eine Bestzeit, mit der man protzen kann.

Wo die Grenze verläuft? Für immer mehr scheint das nicht mehr klar. Jedes Jahr werden in Deutschland vom Zoll an den Grenzen mehrere Tonnen illegale Dopingmittel beschlagnahmt. Tendenz steigend. Die Menge an Anabolika reicht locker aus, um mehrere Tausend Sportler damit zu mästen. Im Internet sind die Mittel leicht zu kaufen. Gibt man bei Google den Suchbegriff "Anabolika kaufen" ein, ergibt das über 800.000 Treffer. Zahlreiche davon sind Händler, die versprechen, die Ware zum Muskelaufbau auch nach Deutschland zu verschicken. Wo sie herkommt, ist meist unklar. Und damit auch, was wirklich in den Ampullen und Tabletten steckt.

Es soll schnell gehen, also wird nachgeholfen

Warum immer mehr zu illegalen Mitteln greifen? Die Forschung hat dazu die sogenannte "Gatewayhypothese". Nach der greifen Sportlerinnen und Sportler zunächst zu legalen Substanzen, um ihre Leistung zu steigern. Das können zum Beispiel Proteinshakes sein. Und tatsächlich wachsen dann ja die Muskeln, aber eben nicht so schnell, wie gewünscht. Dann ist der Griff zu Dopingmitteln nicht mehr weit.

Mich nervt dieser Optimierungs- und Topleistungswahn unter Freizeitathleten mächtig. Schmerzmittel sind nicht für die vorbeugende Einnahme gemacht. Ich kann nicht stolz sein auf eine Leistung, die ich mit Hilfe von Tabletten erreicht habe. Dann lasse ich es doch lieber ganz bleiben. Ich muss keinen Marathon schaffen. Für mich ist Laufen der beste Weg, um meinem Körper etwas Gutes zu tun.

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