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Der Investigativ-Blog 10 Fragen an Fritsche

Der Investigativ-Blog: 10 Fragen an Fritsche

Welche Rolle spielte BMI-Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche in der Schredderaffäre? Wir hätten da ein paar Fragen an ihn. Seine Vernehmung morgen im Untersuchungsausschuss live auf Twitter.

Er ist ein Machtmensch im Hintergrund. Ein unscheinbarer Beamter. Einer, der sich immer hinter einem Ersten versteckt, niemals wirklich verantwortlich scheint und doch die Fäden zieht: Klaus-Dieter Fritsche, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, verantwortlich für die Geheimdienste. Er war bis Ende 2009 Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt und von 1996 bis 2005 Vizepräsident im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).

Mitte September rückten wir ihn im stern ins Licht: Gespräche, Aktenvermerke und E-Mail-Protokolle werfen die Frage nach seiner Rolle auf. Morgen wird er im Europasaal im Paul-Löbe-Haus in den Zeugenstand treten. Das Investigativ-Team wird die Befragung live auf Twitter begleiten.

Wir hätten diese 10 Fragen an ihn:

  1. Herr Fritsche, Sie waren in der entscheidenden Zeit, von 1996 bis 2005, Vizepräsident beim BfV: Wie beurteilen Sie Ihre eigene Verantwortung für das Behördenversagen beim NSU-Skandal?
  2. In einem Schreiben vom 14.9.2003 an das BMI behaupteten Sie: Absichten, einen "Kampf aus der Illegalität heraus mit den damit verbunbenen Umständen zu führen, sind in der rechtsextremistischen Szene nicht erkennbar." Als Vizepräsident des Bundesamts für Verfassungsschutz negieren Sie die Existenz einer braunen RAF. Wie beurteilen Sie im Nachhinein Ihre verheerende Fehleinschätzung? Und warum fallen Ihnen im gleichen Moment die "drei Bombenbauer aus Thüringen" ein? Auch hier lagen Sie falsch. Sie schreiben: Sie seien auf der Flucht und hätten "seither keine Gewalttaten begangen."
  3. "Abgesehen vom islamistischen Terrorismus gibt es derzeit keine Personen(gruppen), die terroristische Ziele in Deutschland aktiv vertreten und verfolgen", schrieben Sie am 11.8.2011 in einer Antwort des BMI auf eine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke nach den Massenmorden in Norwegen. Wie kamen Sie zu dieser Einschätzung und wie bewerten Sie sie heute?
  4. Uns liegt ein Sprechzettel vom 15. Januar 1997 mit Details zum Fortgang der "Operation Rennsteig" vor. Sie kannten die Inhalte der Operation. Waren Sie von Anfang an involviert?
  5. Wie gut kennen Sie eigentlich Herrn Axel M., Referatsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz, Referat 2B2, der dort am 11.11.2011 heimlich Beschaffungsakten zur "Operation Rennsteig" schreddern ließ?
  6. Am 14.11.2011, also genau 10 Tage nach Auffliegen der NSU, ergeht aus dem Referat ÖS III des BMIs ein "Vernichtungserlass". Daraufhin werden noch monatelang Akten mit Abhörprotokollen von Rechtsextremisten beim BfV geschreddert. Herr Fritsche, das Referat gehört zu Ihrem Verantwortungsbereich im BMI. Wie erklären Sie diese Anordnung? Und warum hat das BMI keinen sofortigen Aktenlöschstopp verhangen, als das Ausmaß der NSU-Taten klar wurde?
  7. Wer im BMI kannte die Inhalte der Akten, bevor sie gelöscht wurden?
  8. Nach unseren Recherchen wurde auch der Vorgang "AO2023" im Zuge dieses BMI-Vernichtungserlasses geschreddert wurde: Es sind Protokolle von umfassenden Abhörmaßnahmen gegen Thomas S. und anderen B&H-Mitgliedern aus Sachsen. Gelöscht im Bundesamt für Verfassungsschutz im Februar 2011, obwohl das Bundeskriminalamt (BKA) erst fünf Wochen zuvor im Zuge der NSU-Ermittlungen die Wohnung von Thomas S. durchsucht hatte. Wann genau erhielten Sie eigentlich Kenntnis über die V-Mann Tätigkeit des Herrn Starke?
  9. Wie beurteilen Sie Ihre eigene Rolle bei der Aufklärung des Behördenversagens im Fall NSU?
  10. Haben Sie dem Untersuchungsausschuss jemals gedroht? Falls nein, wie ist dann der folgende Satz zu erklären, den Sie am 17.8.2012 in einem vertraulichen Schreiben an den Vorsitzenden schrieben: "Bereits jetzt sehe ich mich gezwungen, bei der Übermittlung vertraulicher Informationen einen deutlich strengeren Maßstab anzulegen"?

Herr Fritsche, wir sind gespannt auf Ihre Antworten.

Von: Lena Kampf

Foto: dpa

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