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Der Investigativ-Blog Aus „Banküberfall“ wird „Überfall“

Der Investigativ-Blog: Aus „Banküberfall“ wird „Überfall“

In einem als geheim eingestuften Papier findet sich ein Hinweis darauf, dass das NSU-Trio bereits im Jahr 1998 Banken überfallen haben könnte - und dass der Verfassungsschutz davon wusste.

Kurz nachdem die Nazi-Killer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ihrem Dasein am 4. November 2011 ein Ende gesetzt hatten, begannen für den Inlandsgeheimdienst hektische Zeiten. Die Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) durchwühlten ihre Archive nach Erkenntnissen über die NSU-Mitglieder.

In einer „Chronologie“ vom 12.12.2011 steht geschrieben:

„Die nachfolgende Darstellung gibt den gegenwärtigen Sachstand der Aktenrecherchen des BfV in Zusammenarbeit mit dem betroffenen LfV wieder (Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen).“

Der Bericht zirkulierte in Ministerien und Sicherheitsbehörden, schon bald sickerten Details an die Öffentlichkeit. Unter dem Zeitstempel „September 1998“ heißt es über einen damaligen Kontaktmann des NSU-Trios aus der Blood&Honour-Szene:

„W. habe den Auftrag (von wem der Auftrag ausging, konnte nicht geklärt werden), die Gesuchten mit Waffen zu versorgen, für deren Beschaffung die Sektion Gelder aus Konzerten und CD-Verkäufen zur Verfügung stelle. Das Trio plane nach der Entgegennahme der Waffen und noch vor der Flucht nach Südafrika einen ‚weiteren’ Überfall, um mit dem Geld sofort Deutschland zu verlassen.“

Der Hinweis stammte von einem V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes. Was für ein „Überfall“ war hier bloß gemeint? Der erste dem NSU zugerechnete Bankraub datiert vom 6.10.1999 – rund ein Jahr später. Das Rätselraten war groß.

Wusste das Bundesamt für Verfassungsschutz mehr? Es sieht danach aus. Neben der bekannten „Chronologie“ erstellten die Geheimdienstler damals noch andere Dossiers. Auf der „Erkenntniszusammenstellung Uwe MUNDLOS“ (Aktenzeichen Z14-293-380251-0000-0021/11 P / geh.) vom 23.11.2011 prangt das Wasserzeichen „GEHEIM – amtlich geheimgehalten“. Darin heißt es auf Seite 9 von 11:

„Nach der Entgegennahme der Waffen – noch vor der beabsichtigten Flucht nach Südafrika, soll das Trio einen weiteren Banküberfall planen.“

Die Information in dem Geheim-Bericht ist mit „I“ markiert, stammt laut Legende des Berichts aus der BfV-eigenen Personenakte über Mundlos. Bereits am 15.09.1998 erreichte der Hinweis den Verfassungsschutz.

Warum ist das „Bank“ aus „Banküberfall“ in der drei Wochen später erstellten und breit gestreuten „Chronologie“ unter den Tisch gefallen? Sollten Erkenntnisse zurück gehalten werden? Eine Sprecherin der Behörde wollte auf meine Nachfrage keine Stellungnahme abgeben.

von Johannes Gunst

Foto: Frank Doebert/Ostthueringer Zeitung/dpa

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