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Der Investigativ-Blog Gutachten zur Befragung von Snowden illegal?

Der Investigativ-Blog: Gutachten zur Befragung von Snowden illegal?

Wie der Whistleblower Edward Snowden vor dem NSA-Ausschuss des Bundestages aussagen wird, ist noch unklar. Profitiert von dem Tauziehen zwischen Regierung und Opposition haben bislang nur Juristen.

Im Auftrag der Bundesregierung haben zwei Anwaltskanzleien in London und Washington D.C. Gutachten erstellt, in denen die möglichen Folgen einer Befragung Snowdens in Deutschland abgewogen werden. Der NSA-Ausschuss des Bundestages hatte die Regierung zuvor um eine Stellungnahme gebeten. Auf Basis der Anwaltspapiere erstellte die Bundesregierung dann einen Bericht für den Ausschuss. Darin wird ein düsteres Bild gemalt. Es wäre "sehr wahrscheinlich mit schweren und dauerhaften Belastungen des Verhältnisses zu den Vereinigten Staaten von Amerika zu rechnen". Snowden habe keinen Anspruch auf Asyl in Deutschland und Mitglieder des Ausschusses müssten bei der nächsten Reise in die USA möglicherweise mit einer Festnahme und strafrechtlichen Ermittlungen rechnen.

Die Obfrau der Fraktion Die Linke im NSA-Untersuchungsausschuss, Martina Renner, übt heftige Kritik an dem Vorgehen: „Gesetzlich ist klar geregelt, dass es gar nicht zu den Aufgaben der Bundesregierung gehört, die vermeintliche Strafbarkeit des Verhaltens von bundesdeutschen Abgeordneten nach ausländischem Recht zu beurteilen oder durch von der Bundesregierung beauftragte Gutachter beurteilen zu lassen." Die Aufträge an eine US-amerikanische und eine britische Kanzlei seien daher "überhaupt nicht zulässig", sagt Renner gegenüber dem stern.

Die Rechnung für die beiden "anwaltlichen Fachgutachten" zahlt der Steuerzahler. Wie aus einer Antwort der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Maria Böhmer, auf eine schriftliche Frage der Linke-Obfrau hervorgeht, kassierte der Londoner Anwalt Aaron Watkins von der Kanzlei Matrix Chambers für das zwölfseitige Papier 3600 britische Pfund (rund 4370 Euro). Wie aus dem Schreiben Böhmers, das dem stern vorliegt, weiter hervorgeht, liegt die Rechnung für das ebenfalls zwölfseitige Gutachten des Anwalts Jeffrey Harris noch nicht vor. Für eine "Pauschale" habe die Deutsche Botschaft in der amerikanischen Hauptstadt laut dem Schreiben der Bundesregierung seit 2004 außerdem einen "Mandatsvertrag" mit der Kanzlei Rubin, Winston, Diercks, Harris & Cooke (RWDHC) laufen.

„Es ist ziemlich überraschend“, so die Linke-Abgeordnete Renner, dass die Bundesregierung bis heute nicht auskunftsfähig zu den Kosten des US-Gutachtens sei. Der Verdacht eines bestellten Gutachtens steht für die Linke-Abgeordnete Renner im Raum: "Eine Kanzlei, die seit mehr als zehn Jahren einen Beratervertrag mit der Deutschen Botschaft hat, kann man kaum als unabhängig bezeichnen.“

Die Auswahl der Kanzleien begründet die Bundesregierung mit einem "sehr guten Ruf in Fachkreisen" (Matrix Chambers) und "ausgezeichneten Erfahrungen" (RWDHC). Zumindest der Londoner Anwalt Aaron Watkins kennt sich mit komplizierten Auslieferungsfällen gut aus: Im Fall des Wikileaks-Gründers Julian Assange, der vor einer drohenden Auslieferung nach Schweden in die Botschaft Ecuadors in London floh, vertrat Aaron Watkins gegenüber der britischen Justiz die schwedischen Staatsanwälte.

Ob Edward Snowden im NSA-Untersuchungsausschusses am 3. Juli per Videoschaltung aus Moskau aussagen oder doch nach Berlin kommen wird, ist zwischen Regierung und Opposition noch immer strittig. Eine knappe Mehrheit der Deutschen spricht sich übrigens für eine Video-Vernehmung Snowdens aus, wie eine aktuelle Umfrage im Auftrag des stern ergab.

von: Dirk Liedtke

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Foto: AFP PHOTO / ADAM BERRY

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