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Der Investigativ-Blog Kommentar: Snowden schwächt al-Qaida

Das Jahr 2013 war bislang kein sonderlich erfolgreiches in Amerikas "Globalem Kampf gegen den Terror". So gelang den Tsarnaev-Brüdern im April beim Boston-Marathon der erste tödliche, islamistisch motivierte Anschlag auf US-Boden seit 9/11. In Syrien wächst derweil eine neue al-Qaida-Filiale heran und in Afghanistan rüsten sich Gotteskrieger für den bevorstehenden vollständigen Abzug entmutigter Nato-Soldaten.

Der wichtigste Sieg der Terroristen aber ist kein militärischer: Für ein fragiles Mehr an Sicherheit im eigenen Land haben erst Bush und später Obama über die Jahre hinweg systematisch Bürgerrechte geopfert. Viele Verbündete, auch die Bundesrepublik Deutschland, sind diesem Vorbild viel zu lange bereitwillig gefolgt. Übersehen haben die Verantwortlichen hierbei, dass sie al-Qaida damit in letzter Konsequenz einen Gefallen erweisen: Als die Terroristen die Flugzeuge in World Trade Center und Pentagon steuerten, war dies auch ein Angriff auf die westliche Wertegemeinschaft. Zusammengehalten wird diese Gemeinschaft nicht zuletzt durch den Wert Freiheit. Wenn genau dieser Wert durch immer neue Sicherheitsgesetze und Datensammelwut der Behörden schrittweise ausgehöhlt wird, bedeutet dies nichts anderes als einen strategischen Erfolg für die Terroristen.

Seit Juni diesen Jahres nun haben die von Edward Snowden enthüllten Geheim-Dokumente ein nie für möglich gehaltenes Ausmaß an weltweiter staatlicher Überwachung durch die Vereinigten Staaten offen gelegt. So weit, so schlecht. Es ist aber auch eine große Chance: Wenn von der totalen US-Überwachung nach 9/11 in "befreundeten" Ländern nicht nur einfache Bürger, sondern tatsächlich auch führende öffentliche Mandatsträger wie etwa die deutsche Kanzlerin betroffen waren, dann könnte dies einer bis vor kurzem nur auf Sparflamme köchelnden Empörung endlich politisches Momentum verleihen. Dass Horst Seehofer jüngst von der Vorratsdatenspeicherung abgerückt ist und Innenminister Hans-Peter Friedrich plötzlich großes Interesse bekundet, mit Edward Snowden ins Gespräch zu kommen, deutet hierzulande auf den Beginn eines ernsthaften Umdenkprozesses hin.

Wenn es gelingt, diesen Prozess, im Verbund mit anderen empörten, von der NSA ausgespähten Staaten, über den Atlantik zu tragen, dann könnten wir uns unsere Bürgerrechte und somit den Kern unserer bei islamistischen Terroristen verhassten freiheitlichen Gesellschaftsordnung zurück erobern. Dann hätte Edward Snowden etwas möglich gemacht, was bislang keine US-Drohne vermochte: Einen echten Wirkungstreffer des Westens gegen al-Qaida. Nicht durch die Tötung von terroristischem Personal, sondern durch die eigene moralische Rehabilitation. Dass Snowden für diesen Verdienst in den Vereinigten Staaaten lebenslange Haft droht, gehört zur traurigen Absurdität dieser Geschichte.

Kommentar von Johannes Gunst

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