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Der Investigativ-Blog Mit Werner Spies in Paris

Der Investigativ-Blog: Mit Werner Spies in Paris

In der heutigen Ausgabe des stern gesteht Kunsthistoriker Werner Spies: Es gibt weitere mögliche Fälschungen im Stile von Max Ernst. Im Blog erzählen die Journalisten von der Begegnung mit ihm.

In einer Anwaltskanzlei, einen Steinwurf vom Élysée-Palast in Paris entfernt, treffen wir Werner Spies. Am Revers trägt er einen rot-weißen Anstecker, nicht größer als ein Centstück - den Ausgehorden der französischen Ehrenlegion. Einige seiner Freunde sagen, der Kunsthistoriker sei um Jahre gealtert, seit bekannt wurde, dass er sieben Fälschungen des Malers Wolfgang Beltracchi für das Werk von Max Ernst hielt. Tatsächlich sieht er etwas mitgenommen aus: graue leicht zerzauste Haare, manchmal zittern die Hände des 74-Jährigen.Besonders, wenn wir ihn zu seiner Rolle im größten Kunstfälscherskandal der Nachkriegsgeschichte befragen oder zu seinem Nummernkonto in der Schweiz.

Wir sitzen an einem großen Holztisch in einem Raum mit weißen Flügeltüren und weißen Vorhängen, an den Wänden prangen zwei goldene Spiegel. Wer einen Kronleuchter an der Decke erwartet, muss sich überrascht mit zwei klapprigen Deckenflutern zufrieden geben.

Über den Fälscher Wolfgang Beltracchi möchte Spies zunächst gar nicht mit uns reden. Viel wichtiger erscheint ihm, dass wir wissen, dass er viele echte Künstler kennt.

Der Investigativ-Blog: Mit Werner Spies in Paris

Kommt das Gespräch zum Beispiel auf seine enge Freundschaft mit Max Ernst oder mit Pablo Picasso verfliegt alle Schwermut, Spies Augen leuchten, die Worte sprudeln nur so aus ihm heraus. Die Geschichten erzählt er druckreif: Sie haben kleine Pointen, sind emotional, und die Botschaft, die mitschwingt, lautet: Schaut her, ich bin ein Großer der Kunstszene.

Ein Plastikkugelschreiber

Schließlich kommt das Gespräch doch auf die Fälscherbande und die Gelder, die Spies von den Betrügern kassierte. Fragen wir nach der Höhe der Beträge, oder wie sie vereinbart wurden, lehnt er sich zurück, verschränkt die Arme vor der Brust und wird schmallippig. Er möchte abschließen mit dem Thema, will nach vorn schauen.

Auf dem Tisch hat Werner Spies einen Teil seines Lebenswerks aufgebaut. Der Werkskatalog von Max Ernst und weitere großformatige Bildbände über den Maler. Gerne würde Werner Spies uns einige der Bücher mitgeben. Wir lehnen dankend ab, die Compliance-Regeln im Verlaghaus Gruner + Jahr sind da sehr streng. Ein Plastikkugelschreiber etwa wäre noch in Ordnung. Spies kann sich so etwas gar nicht vorstellen.

Nach zweieinhalb Stunden nimmt das Interview eine unerwartete Wendung. Spies gesteht, dass die Fälscher ihm noch mehr Werke vorlegten, als bislang bekannt. Das hatte er bei seiner sechs-stündigen Aussage beim Landeskriminalamt Berlin am 05.10.2010 verschwiegen. Warum, will er uns nicht verraten. Eine mögliche Erklärung liefert das Kunstmagazin art.

von Nina Plonka und Oliver Schröm

Fotos: Jean-Luc Bertini

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