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Der Investigativ-Blog Punktsieg für die Informationsfreiheit

Der Investigativ-Blog: Punktsieg für die Informationsfreiheit

Wenn Lobbygruppen Gesetze schreiben, schlagen Medien zu Recht Alarm. In Baden-Württemberg legte jetzt eine Journalistenorganisation einen Gesetzesentwurf vor. Verkehrte Welt?

Dr. Manfred Redelfs ist ein honoriger Mann. Hunderten von angehenden und älteren Journalisten hat der Chef der Rechercheabteilung bei Greenpeace und Vorstandsmitglied des Netzwerk Recherche (NR) beigebracht, wie man Behörden mit Hilfe von Informationsfreiheitsgesetzen (IFG) Akten und Daten abtrotzt. Jetzt hat Redelfs zusammen mit dem darauf spezialisierten Anwalt Dr. Wilhelm Mecklenburg im Auftrag von Netzwerk Recherche selbst einen 52-seitigen IFG-Entwurf verfasst. Würde der umgesetzt, könnte auch in Baden-Württemberg das wilhelminisch müffelnde „Amtsgeheimnis“ auf dem Müllhaufen der Geschichte landen.

Was die grün-rote Landesregierung vor zwei Jahren angekündigt aber bislang nicht zustande gebracht hat, wäre mit diesem „Transparenzgesetz für das Land Baden-Württemberg“ sofort umsetzbar, nämlich deutlich mehr Einblick für Bürger und Journalisten in öffentliche Entscheidungen.

„Wenn die Verwaltung und die Regierung hier nicht liefern, dann muss offenbar die Zivilgesellschaft aktiv werden. Der gute Informationszugang ist die Grundvoraussetzung sowohl für Bürgerengagement als auch für einen kritischen Journalismus “, begründete Oliver Schröm, der Vorsitzende von Netzwerk Recherche, den Vorstoß. (Hinweis zur Transparenz in eigener Sache: Oliver Schröm ist im Hauptberuf Leiter des Teams Investigative Recherche des stern.)

Natürlich ist es extrem unwahrscheinlich, dass sich die Kretschmann-Regierung die Blöße gibt und das Papier eins zu eins übernimmt. Aber die Initiative sorgt für Tempo. Augenzwinkernd sagt Manfred Redelfs: „Die Präsentation unseres Entwurfs ist eine Art zivilgesellschaftliche Notwehr. Je länger die Landesregierung mit der Vorlage eines eigenen Gesetzentwurfes wartet, desto stärker wird zwangsläufig der Erwartungsdruck Und für den Fall, dass die Politik und die Verwaltung da Hilfe benötigen, bieten wir gerne unseren Gesetzentwurf an."

Oh Wunder! Am vergangenen Donnerstag, dem Tag der Pressekonferenz des Netzwerk Recherche in Stuttgart, kündigte Innenminister Reinhold Gall (SPD) allerdings erst auf Anfrage die Vorlage eines eigenen Gesetzesentwurfes noch für dieses Jahr an.

Die Latte liegt hoch: Im Vergleich mit den elf bereits existierenden IFG-Landesgesetzen ist der Journalisten-Entwurf auf dem neuesten Stand in Sachen aktiver Veröffentlichungspflichten, die automatisch ins Internet gestellt werden müssen. Stichwort: Open Data. Dazu sollen beispielsweise Verträge im Bereich der Daseinsvorsorge gehören – also von Wasserwerken, Bahnhöfen (S 21) oder Großbauten (Elbphilharmonie).

Man darf gespannt sein, wie viel die grün-rote Landesregierung bei den Journalisten abschreibt.

von Dirk Liedtke

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Foto: dpa

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