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Der Investigativ-Blog Syrien, Deutschland, Knast

In Syrien soll er für Terrorgruppen gekämpft haben, nun sitzt Fatih K. im Gefängnis. Ein ehemaliger Glaubensbruder erinnert sich.

Kristallklares Wasser plätschert in einen kleinen Teich, ein schmaler Pfad schlängelt sich durch üppige Vegetation. Neun junge Männer marschieren diesen Weg entlang, sie tragen martialische Militär-Kleidung. Anführer der Gruppe ist Denis Cuspert, Ex-Rapper und international gesuchte Galionsfigur der deutschen Dschihadisten. „Urlaubsgrüße“ – so preist das im September 2013 im Netz veröffentlichte Video den Märtyrer-Kampf in Syrien.

Direkt hinter Ex-Rapper Cuspert läuft ein stämmiger Mann. Er hat sein Gesicht vermummt, über seiner rechten Schulter ruht ein Sturmgewehr. Nach meinen Informationen handelt es sich hierbei um Fatih K.. Am 31. März haben Spezialeinsatzkräften der GSG 9 den 35-Jährigen in Berlin verhaftet. Der Vorwurf: Mitgliedschaft in den beiden al-Qaida nahen Terror-Gruppen „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien“ und „Junud Al-Sham“, sowie die Herstellung von Propagandamaterial.

Neben Fatih K. haben die Einsatzkräfte noch zwei weitere mutmaßliche Mitglieder bzw. Unterstützung syrischer Terrorgruppen festgenommen. Insgesamt 10 Wohnungen wurden durchsucht, bundesweit waren über 100 Beamte im Einsatz. Es war die bislang größte Aktion deutscher Behörden im Kampf gegen militante Syrien-Rückkehrer. „Die heutigen Maßnahmen zeigen, dass gewaltsame Konflikte wie der in Syrien sich unmittelbar auf uns in Deutschland auswirken", erklärte Generalbundesanwalt Harald Range. Hintergrund: In Syrien ausgebildete Gotteskrieger könnten nach ihrer Rückkehr auch bei uns Anschläge begehen. Kein Szenario bereitet deutschen Terror-Fahndern derzeit mehr Kopfzerbrechen.

Fatih K. ist in der deutschen Szene nicht irgendjemand. "Seit Jahren träumte er vom Dschihad", berichtet mir ein ehemaliger Freund des Salafisten. Bereits im Jahr 2008 habe Fatih an konspirativen Runden teilgenommen, in denen Ausreisepläne diskutiert wurden. Ein Jahr später wähnte sich Fatih dann zum ersten Mal fast am Ziel seiner Träume: Getarnt als schiitischer Pilger hatte er es in den Iran geschafft. Zwei seiner Kameraden reisten von dort weiter in die pakistanischen Stammesgebiete, damals noch das Eldorado für militante Islamisten. "Fatih aber hat im Iran einen Anruf seiner kleinen Tochter bekommen. Am Telefon hat sie geweint, wollte, dass ihr Papa zurück kommt", erinnert sich der frühere Glaubensbruder.

Offenbar deshalb ist Fatih im Herbst 2009 umgekehrt und zurück nach Deutschland gereist. Fortan erwarb er sich in Berlin einen Ruf als Schleuser und Financier für Terror-Gruppen. "Es gab in der Berliner-Szene damals zwei Fraktionen: Die Schläfer und die Auffälligen", erzählt der frühere Freund. In letzterer Gruppe habe man nicht viel auf Tarnung gegeben. "Allah werde uns schon schützen" sei das Motto gewesen. Fatih gehörte zur Gruppe der Sorglosen. Mit Bergschuhen, Armeehose, schwarzem „Jack Wolfskin“-Fleece und langem Rauschebart sei er durch Berlin gezogen. "Nach jedem Freitagsgebet haben wir uns in einem pakistanischen Restaurant in Berlin-Schöneberg getroffen", erzählt der ehemalige Freund und grinst. "Fatih hat am meisten von allen gegessen, wurde stetig dicker." In den Diskussionen mit den Glaubensbrüdern habe er kein Blatt vor den Mund genommen, keinen Hehl daraus gemacht, dass er erneut versuchen wolle an die dschihadistische Front zu gelangen.

Die illustren Freitagsrunden beim Pakistaner blieben nicht unbeobachtet. Vor dem Restaurant lagen nach stern-Informationen Agenten des Verfassungsschutzes auf der Lauer und schossen heimlich Fotos. Im April 2011 wurde Fatih schließlich wegen "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung" zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Im Prozess hatte er sich geläutert gezeigt und sich entschuldigt. "Ich möchte mich ändern, ich habe auch schon begonnen mich zu ändern", sagte Fatih vor Gericht. Sicherheitsexperten blieben skeptisch. Zu recht, wie wir heute wissen.

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