Anzeige

Follow Me 30. Juni 1956: Zwei Flugzeuge kollidieren über dem Grand Canyon – mit Konsequenzen bis in die Gegenwart

Das Grand Canyon im US-Bundesstaat Arizona
Das Grand Canyon im US-Bundesstaat Arizona
© Imago Images
Mit 128 Toten war es vor 65 Jahren das damals schlimmste Unglück der amerikanischen Luftfahrt – und auch das folgenschwerste: Die US-Luftfahrtbehörde wird gegründet, Radarüberwachung und Flugschreiber werden nach der Katastrophe eingeführt.

Die Meldung des US-Innenministeriums hörte sich zunächst abstrus an: Nicht die Wirkungsstätte eines bedeutenden Amerikaners, ein altes Gebäude oder ein berühmtes Schlachtfeld aus dem Bürgerkrieg wurdevon der Regierungsbehörde als historisch bedeutend für die Nachwelt eingestuft. Nein, vor einigen Jahren schaffte es erstmals ein Ort auf die Liste der National Historical Landmarks, der eigentlich in der Luft liegt.

Es handelt sich bei der jüngsten der inzwischen mehr als 2600 historischen Stätten in den USA nicht um eine weitere Touristenattraktion, sondern eher um einen Unort. Er markiert im amerikanischen Westen jene Stelle, an dem sich am 30. Juni 1956 im Himmel über dem Grand Canyon ein besonders tragisches Flugzeugunglück ereignete.

In 6400 Metern Höhe stießen zwei der damals modernsten und größten Propellermaschinen zusammen. Beide Flugzeuge waren morgens in Los Angeles gestartet: eine Super Constellation L-1049 der Trans World Airlines (TWA) mit dem Ziel New York via Kansas City und eine Douglas DC-7 von United Airlines auf dem Weg nach Chicago. Hinter Palms Springs in Kalifornien bzw. Utah flogen sie in einen damals noch unkontrollierten Luftraum hinein, nicht wissend, dass sich ihre Routen auf derselben Flughöhe kreuzen werden. Die Crews waren nur mit dem Bodenpersonal der jeweiligen Fluggesellschaft in Kontakt. Der Kollege von United vernahm als letzten Funkspruch die entsetzten und letzten Worte des Kopiloten DC-7: "Salt Lake, ah, 718 … we are going in!"

128 Menschen sterben bei den Flügen auf Sicht

Was heute unvorstellbar ist: Beide Maschinen flogen nur auf Sicht. Doch durch Kumuluswolken verloren die Crews an jenem Junimorgen den Überblick. Die DC-7 krachte von hinten seitlich in die Lockheed-Maschine mit dem markanten dreiteiligen Leitwerk am Heck. Beide Flugzeuge stürzten ab, alle 128 Passagiere und Crew-Mitglieder kamen ums Leben.

Super Constellation von TWA
Eine Schwestermaschine der abgestürzten Super Constellation von TWA
© Till Bartels

Der TWA-United-Crash löste in der amerikanischen Öffentlichkeit eine grundsätzliche Debatte über die Sicherheit des Flugverkehrs aus. Ein Kongressausschuss wurde eingesetzt mit weitreichenden Schlussfolgerungen: 1958 unterschrieb Präsident Eisenhower den Federal Aviation Act, aus dem die FAA, die US-Bundesluftfahrtbehörde, hervorging, die sich seitdem um Sicherheitsstandards des zivilen und militärischen Luftverkehrs kümmert. Außerdem wurden eine flächendeckende Radarüberwachung für die Staaten und Flugschreiber für jedes Flugzeug, die Black Box, eingeführt.

So kurios es kling: Der Crash über dem Grand Canyon hat das Fliegen wesentlich sicherer gemacht. Die Kollision hatte enorme Konsequenzen und führte wie auch noch heute jede minutiöse Flugunfalluntersuchung zu Verbesserungen, damit sich Dramen nicht wiederholen. 

Douglas DC-7 von United
Eine Douglas DC-7 von United Airlines
© Picture Alliance

Die Einrichtung eines Historical Landmark an jener Absturzstelle in Arizona ist also als symbolischer Akt zu verstehen, weil der Crash im Rückblick für die Flugsicherheit weltweit einen Quantensprung bedeutete. Im Gegensatz zu Monumenten wie dem Vietnam Memorial in Washington DC oder der Mount Rushmore sind an der "1956 Grand Canyon TWA-United Airlines Aviation Accident Site", so die offizielle Bezeichnung, Besucher sogar unerwünscht. "Sie liegt extrem abgelegen und sie ist auch für Wanderer nur sehr schwer zu erreichen", sagt Alexandra Lord, die Chefin des National Historic Landmarks Programm.

Zwar wurden die Opfer und in den 70er Jahren auch einige Flugzeugreste aus dem Canyon geborgen, aber die beiden Einschlagsorte sollen sich selbst überlassen bleiben. Einer, der sich zur Spurensuche zum TWA-Wrack aufmachte, war allein auf dem Hinweg drei Tage zu Fuß unterwegs und musste sogar den Colorado River durchschwimmen, um ans Wrack zu gelangen. Seine Fotodokumention zeigt er auf der Website aircraftarchaeology.com. Es ist die bizarre Homepage eines Planespotters, der sich nur für abgestürzte Flugzeuge interessiert und zu den Trümmern pilgert.

Lesen Sie auch:

Tod im Nebel von Teneriffa: Der schwärzeste Tag der Luftfahrt

Für immer ausrangiert: Jets nach ihrer letzten Landung

Schrottplatz statt Museum: Hamburgs historische Boeing 707 wird

zersägt

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel