Weltweit sind inzwischen mehr Boeing 787 unterwegs, als bei Airbus an Bestellungen für die A380 vorliegen. Doch hat der Dreamliner das Fliegen für Passagiere bequemer gemacht? Wir sind mit der Boeing 787 auf Kurz- und Langstrecke geflogen.
Es war eine schwierige Geburt mit Pleiten, Pech und Pannen. Der Start des Dreamliners, Boeings Hoffnungs- und neuer Technologieträger für Langstreckenflüge, verlief alles andere als reibungslos. Immer wieder mussten der Erstflug und auch die Auslieferung an die Fluggesellschaften verschoben werden. Später häuften sich im Liniendienst die Zwischenfälle: Anfang Januar 2013 führten mehrere Batteriebrände sogar zu einem kompletten Flugverbot. Für Boeing und die Betreiber wurde der Dreamliner zum Albtraum. Erst nach einem Vierteljahr Zwangspause durften die Maschinen wieder abheben.
Inzwischen sind die Kinderkrankheiten fast vergessen. Seit vier Jahren ist die Boeing 787 im Einsatz. Der Hersteller hat inzwischen 335 Exemplare an 41 Fluggesellschaften ausgeliefert. Bislang sind 67 Millionen Passagiere befördert worden. Mehr als 1100 Bestellungen verzeichnet Boeing in den Auftragsbüchern. Das sind Stückzahlen, von denen Airbus für ihre A380 nur träumen kann (313 Bestellungen). Allerdings lassen sich beide Maschinen kaum miteinander vergleichen, weil die zwei Flugzeughersteller unterschiedliche Konzepte mit ihren Modellen verfolgen. Doch dazu später.

Auf großen Airports ist der Dreamliner keine Ausnahmeerscheinung mehr. Täglich heben weltweit mehr als 600 Flüge auf 350 Roten ab. Doch auf deutschen Flughäfen fällt die markante Nase der zweistrahligen Jets noch auf. Nur in Frankfurt, München und Düsseldorf startet die neue Boeing regelmäßig. Allen voran die Boeing 787-8 und die verlängerte Variante 787-9 von All Nippon Airways, dem mit 34 Exemplaren größten Betreiber - nach Qatar Airways mit 25 Maschinen. Nur wenige Boeing 787 sind bisher in Europa für LOT, British Airways, Tui Airlines, Norwegian und bald auch KLM im Einsatz. Die finanziell angeschlagene Air Berlin hat längst alle Dreamliner-Träume begraben und den Auftrag für ursprünglich 25 Exemplare storniert.
Folgende Erfahrungen haben wir auf drei unterschiedlichen Flügen mit der Boeing 787-8 gemacht.
Till Bartels: Tokio - München mit All Nippon Airways (ANA)

Kabinengefühl: Der Rumpf wirkt innen etwas größer als bei der Boeing 767 (plus 70 Zentimeter) und zehn Zentimeter mehr als bei der Airbus A330/340-Familie. Die indirekte LED-Beleuchtung war beim Betreten der ANA-Boeing auf kaltes, weiß-blaues Licht eingestellt - schade.
Fenster: Das große Plus, denn wer bereits die Möglichkeit hatte, im Dreamliner zu fliegen, wird überrascht sein, dass man auch von den Mittelplätzen einen Blick nach draußen erhaschen kann. Die Fenster sind mit fast 50 Zentimetern Höhe deutlich größer als in herkömmlichen Passagierflugzeugen. Die Fenster ließen sich nur nach dem Start in Tokio-Haneda individuell elektronisch steuern, dann wurde die Verdunkelung zentral von der Crew gesteuert und die geamte Kabine bei dem langen Tagesflug abgedunkelt.

Lautstärke: Verblüfft war ich über die lauten Kabinengeräusche während des Fluges, besonders von der Klimaanlage. Der Dreamliner ist laut, gerade im Reiseflug und insbesondere im Vergleich zum leisen Airbus A380. Selbst Ansagen des Kapitäns wurden übertönt. Eine Messung mit der Soundmeter-App auf dem Handy ergab fast 80 dB (im Vergleich der Airbus A350: 70 dB). Bei der Boeing 787 musste aus Gewichtsgründen reichlich an Dämmmaterial gespart werden. Bekanntlich war der Dreamliner bis zu sechs Tonnen schwerer als geplant. Aber zur Abhilfe gibt es immerhin Ohrenstöpsel.
Sitze: Wie alle Airlines hat auch ANA im Dreamliner eine 3-3-3er-Bestuhlung pro Sitzreihe in der Economy Class. Der Sitzabstand ist Mittelmaß, in der Breite wirken sie schmal: gemessene 17 Inch (ca. 43 Zentimter). Die Mittelsitze teilen sich die Armlehen mit den Sitznachbarn. Auf den Deutschlandstrecken fliegt ANA auch mit einer Premium-Eco und Business Class, die zwei Drittel der Fläche einnehmen. Deren Bestuhlung ist 19 Inch breit. In der C-Klasse lassen sich die Sitze in flache Betten verwandeln, die mit heruntergelassenen Armlehnen wesentlich breiter werden.

Kabinenluft: Bei dem 11,5-stündigen Flug fiel mir die gute Klimatisierung auf. Keine Temperaturschwankungen, keine trockene Nase, keine Chance von Verunreinigungen durch Zapfluft, weil die Kabinenluft nicht mehr wie bei anderen Flugzeugen von den Triebwerken zugeführt wird.
Fazit: Mit nur insgesamt 169 Plätzen in allen drei Klassen macht bei ANA dieses Großraumflugzeug nicht den Eindruck eines Massenverkehrsmittels; das Fliegen wird wieder angenehmer.
Jannis Frech: Cartagena - Bogotá mit Avianca

Kabinengefühl: Die Maschine war nagelneu und empfing die Passagiere mit rötlich schimmerndem Licht. Ungewohnt, aber sehr angenehm. Es fühlte sich nach Hightech an und sorgte gleichzeitig für Gemütlichkeit. Durch die modernen Gepäckfächer wirkte die Kabine weiträumig und offen.
Fenster: Hier fiel vor allem die Größe auf, man konnte sehr gut nach draußen gucken. Die elektrische Verdunkelung ist mehr Spielzeug, man macht das ein paar Mal und freut sich, dann ist es eher egal. Der Blick nach draußen auf den elegant geschwungenen Flügel ist besonders nett.
Lautstärke: Ich saß direkt hinter dem Triebwerk, deshalb waren die Geräusche schon zu hören. Aber auf jeden Fall leiser als in älteren Flugzeugen. Die Frequenz ist auch deutlich höher, mehr ein Surren als ein Dröhnen.

Sitze: Neuer Flieger, neue Sitze. Aber mehr auch nicht. Alles war heile und sah gut aus, eine wirkliche Innovation fehlte. Auch das Inflight Entertainment war damit "nur" auf dem neuesten Stand. Da wir sowieso nur Kurzstrecke flogen, war es natürlich sehr bequem.
Kabinenluft: Ein ungewohnter Geruch hing in der Luft, aber das war wohl mehr der "Neues-Auto-Duft", den Flugzeuge ebenso haben. Trotzdem fiel auf: Die Luft ist irgendwie angenehmer. Meine Augen waren weniger trocken, ich fühle mich sonst oft matschiger nach einem Flug. Es war aber eben auch nur ein kurzer Flug.
Fazit: ein schicker Flieger, aber aus Passagiersicht nur kleinere Fortschritte, vor allem wegen der besseren Luft.
Thorsten Hennes*: Paris - Mexiko-City mit Aeromexico

Kabinengefühl: Die Kabine ist mir nicht besonders aufgefallen, aber das muss ja nicht unbedingt etwas schlechtes heißen. Die Beleuchtung war unspektakulär. Aber wir hatten auch Verspätung, da ist man eh schon genervt.
Fenster: Die Fenster waren dimmbar, das habe ich kurz ausprobiert. Fand das aber nicht so beeindruckend und für meinen Nachtflug letztlich auch nicht so wichtig.
Lautstärke: Ich habe im Flugzeug immer geräuschreduzierende Kopfhörer auf, deshalb ist mir da nichts aufgefallen.

Sitze: Von den Sitzen hatte ich mir deutlich mehr erwartet. Sie bestanden aus sehr viel Plastik und wirkten billig. Außerdem waren sie leicht "durchzusitzen": Man spürte schnell die Stangen, was auch anderen Passagiere so erging. Der Sitzabstand war normal, also eng. Ich bin groß und hatte zum Glück eine Sitzereihe für mich alleine, sonst wäre es unangenehm geworden.
Kabinenluft: An der Luft ist mir nichts Besonderes aufgefallen, die Maschine war aber auch nicht voll.
Fazit: Eine Revolution sieht definitiv anders aus.
Der Vorteil für Passagiere liegt nicht in der Bestuhlung
Die Anzahl der Sitze pro Reihe macht beim Dreamliner den Unterschied aus: Statt 2-3-2er-Bestuhlung (Boeing 767) und 2-4-2 in einer Reihe bei den erwähnten Airbus-Typen packen alle Airlines in ihre Dreamliner eine 3-3-3er-Bestuhlung - bei einem nur geringfügig breiteren Kabinenquerschnitt als bei den anderen Modellen. Was für Airlines eine Steigerung der Effizienz bedeutet, ist für die Passagiere in der Holzklasse der Wermutstropfen: gemessene Sitzbreite 17 Inch. Im Vergleich zur direkten Konkurrenz, dem Airbus A350, der erst bei Qatar, Vietnam Airlines und Finnair mit 3-3-3er-Sitzreihen im Einsatz kommt, sind aufgrund der 22 Zentimeter breiten Kabine auch die Sitze wesentlich breiter: mindestens 18 Inch (knapp 46 Zentimter).

Tests ergaben, dass durch die Sitzbreite auch der Sitzabstand als wesentlich angenehmer empfunden wird. Kein Wunder, dass der Dreamliner in Foren, egal welcher Airline, auch abgestraft wird: "Der engste Sitzplatz, den ich je bei einem Langstreckenflug erlebt habe", wetterte E. Meyer aus der Schweiz über seinen Dreamliner-Flug. British Airways hat wegen vieler Beschwerden sogar Konsequenzen gezogen. "Die Sitze fühlten sich zu eng an", sagt Kathryn Dole, die bei BA für die Innenausstattung verantwortlich ist. Für viele sei der Dreamliner ein Flugzeug geworden, das gemieden wird. Deshalb wurden in den ab September 2015 ausgelieferten Exemplaren der Boeing 787-9 die Eco-Sitze um einen halben Inch verbreitert.
Länger, weiter, billiger
Die wesentliche Innovation des Dreamliners für Passagiere besteht demnach nicht im Kabinenkomfort, sondern in neuen Nonstop-Verbindungen, die dieser Flugzeugtyp erst ermöglicht hat. Auf langen, "dünnen" Strecken mit nicht besonders großem Passagieraufkommen wird die 787 eingesetzt. Nach Angaben von Boeing sind 75 neue Städteverbindungen entstanden, wie Tokio-Denver, London-Austin in Texas oder Addis Abeba-São Paulo - alles Strecken, die vorher nicht nonstop angeboten wurden, weil die Routen mit anderem Fluggerät nicht wirtschaftlich zu bedienen waren.
Mehr Direkt- und weniger Umsteigeverbindungen, darin besteht die eigentliche Verbesserung des Dreamliners für Reisende. "Wir setzten nicht auf Hubverkehre mit großen Flugzeugen wie der A380, sondern auf neue Nonstop-Routen", sagt Maria Petalidou von ANA, "mit kleineren Maschinen wie der 787 können wir eher auch die Frequenzen erhöhen."

Auch hat der Dreamliner das Fliegen billiger gemacht. Die Airline Norwegian verkauft ihre Flüge nach Fernost für Kampfpreise ab 145 Euro und an die Westküste der USA ab 200 Euro oneway. Aber nicht nur deren neue 787-Hardware, auch Dumpinglöhne bei der Kabinenbesatzung und ein gefallener Kerosinpreis begünstigen diese Tendenz.

Im Rennen um die längste Nonstop-Verbindung der Welt wird demnächst auch Qantas mitmischen. Die Airline hat angekündigt, erstmals die Route zwischen Europa und Australien nonstop zu fliegen. Zum Einsatz soll auf der 14.000 Kilometer langen Strecke von London nach Perth ab 2017 eine Boeing 787-9 kommen. Die Flugzeit für die Ultra-Langstrecke soll 19 Stunden betragen - wir wünschen einen guten Flug.
Im nächsten Beitrag auf Follow Me werden wir über einen Flug mit der verlängerten Boeing 787-9 berichten.
* Name geändert