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Hans-Martin Tillack Bahn-Chef ist der Lobby-Sieger

Hans-Martin Tillack: Bahn-Chef ist der Lobby-Sieger

Es klingt paradox. Einerseits gehört die Deutsche Bahn AG zu 100 Prozent dem deutschen Staat und damit letztlich dem Steuerzahler. Andererseits bemüht sich die Bahn wie kaum ein zweites Unternehmen darum, die Entscheidungen der Bundesregierung mit Lobbyaktivitäten zu beeinflussen. Anders gesagt: Der Kontrollierte versucht den Kontrolleur zu kontrollieren.

Die Bahn AG tritt auf Parteitagen als Sponsor auf, sie lädt regelmäßig ganze Abgeordnetengruppen in den Bahntower am Potsdamer Platz in Berlin und sie heuert immer wieder Ex-Amtsträger wie den früheren Kanzleramtschef Ronald Pofalla an. Kurz: Die Bahn AG lässt kaum etwas aus, wenn es darum geht, die Politik in ihrem Sinn zu beeinflussen.

Wie sehr Bahn-Chef Rüdiger Grube auf Lobbying setzt, belegen aktuelle Antworten des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sabine Leidig. Nach dieser noch unveröffentlichten Aufstellung vom 14. Juli traf sich der Bahn-Chef seit Beginn dieser Legislaturperiode Ende Oktober 2013 so häufig mit Ministern und Staatssekretären der Bundesregierung wie kein anderer Unternehmensvertreter der Verkehrsbranche. Grube lag damit weit vor den Leuten von Daimler, VW oder Lufthansa – auch wenn ihm VW-Chef Martin Winterkorn zwei exklusive Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel voraus hatte. Hier die Liste mit Merkels Terminen:

Zugleich empfing allein Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) den Bahn-Chef zu 14 Gesprächen, achtmal war der Bahn-Chef bei dessen Staatssekretär Michael Odenwald. Dreimal war Grube bei Kanzleramtsminister Peter Altmaier zu Gast, je einmal traf er Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sowie – nacheinander - die drei SPD-Minister Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel und Barbara Hendricks. Seit März 2015 war Grube dabei gelegentlich von seiner jüngsten personellen Neuerwerbung begleitet – dem neuen Bahn-Cheflobbyisten Ronald Pofalla.

Bei der Lektüre der Liste musste man an Berichte von Anfang 2014 denken. Danach bemaßen sich die Bonus-Zahlungen an Grube teilweise an der Zahl seiner Politkontakte. Bei der Bahn AG bestreitet man einen Zusammenhang – die entsprechende Zielvereinbarung sei nicht mehr in Kraft. Der Grund für die zahlreichen Treffen mit Regierungsleuten sei vielmehr nichts anderes als die Tatsache, dass die Bahn dem Bund gehört. Genau darum sei es „die Pflicht des Top-Managements, sich regelmäßig mit Vertretern des Eigentümers über aktuelle Themen auszutauschen“.

Das klingt ein bisschen so, als hole sich Grube bei den Ministern und Staatssekretären Instruktionen für seine tägliche Arbeit ab. Zweifel daran sind erlaubt. Die Verkehrspolitikerin Leidig glaubt eher , dass der Vorstand der Bahn "versucht auf die Politik zum Vorteil des Konzerns Einfluss zu nehmen". Und dieser Vorstand orientiere sich am Konzerngewinn und nicht am Gemeinwohl.

Tatsächlich ist seit langem bekannt, dass es dem Bahn-Vorstand nicht erst seit Grubes Zeiten immer wieder gelingt, die Verkehrspolitik des Bundes massiv zu beeinflussen. „Die Bahn-Politik wird de facto nicht im Verkehrsministerium gemacht, sondern im Bahn-Tower“, schimpfte einmal der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter.

Dafür spannte der heutige Bahn-Chef zeitweilig sogar – wie der stern im August 2014 publik machte – den damaligen Kanzleramtschef ein. Der hieß - wie gesagt - Ronald Pofalla. Und ist heute Cheflobbyist der Bahn AG.

Sie können Hans-Martin Tillack auch auf Twitter folgen und zwar hier: @hmtillack

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