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Hans-Martin Tillack Böse Presse! Guter Til?

Gut gemeint und schlecht gemacht - Til Schweiger hat sich in Sachen Flüchtlingshilfe in Osterode offenbar die falschen Partner angelacht. Kritische Nachforschungen von Journalisten gefallen ihm da gar nicht. 

Til Schweiger verdient unsere Anerkennung. 100 000 Euro will er in eine Stiftung einbringen, die traumatisierten Kindern helfen soll, insbesondere auch Kindern von Flüchtlingen. Die Sache klingt seriös; als Mitglieder des Beirats hat er nach eigenen Worten Leute wie Jogi Löw, Jan Josef Liefers, Sigmar Gabriel und Matthias Döpfner gewonnen.

Letzterer ist Vorstandschef des Springer-Verlags, in dessen „Bild“-Zeitung Schweiger seine Pläne heute vorstellte. Der Filmemacher wurde dort auch zu Recherchen des stern befragt – betreffend ein anderes Projekt des Filmemachers, das er vor knapp drei Wochen präsentiert hatte, damals in der „Bild am Sonntag“. Er wollte mit Freunden ein „Vorzeige-Flüchtlingsheim“ in einer ehemaligen Kaserne in Osterode aufbauen, sagte Schweiger da; es sei bereits „alles unter Dach und Fach“.

Mit dieser Ankündigung hatte Schweiger einen Fehler gemacht. In Osterode war nichts unter Dach und Fach und es ist nichts unter Dach und Fach. Und das liegt offenkundig auch daran, dass Schweiger eher zweifelhaften Partnern vertraut hat. Der stern hat darüber in seiner jüngsten Ausgabe ausführlich berichtet – „ein ganz böser Artikel“, wie sich Schweiger jetzt bei „Bild“ beklagte (die Langfassung des Interviews mit dem Blatt ist hinter einer Bezahlschranke verfügbar).

Nicht dass Schweiger irgendetwas ernsthaft dementiert hätte. Ja, bestätigt er, er hat den Mann nie persönlich getroffen, dessen Firma die Kaserne in Osterode gehört. Schweiger will aber immerhin „Erkundigungen über ihn eingeholt“ haben. Dieser Unternehmer namens Wolfgang Koch sei „ein ehrenwerter Familienvater“, sagt Schweiger. Das habe er „gehört“. Er sei mal in Insolvenz gegangen? Na und! Und ja, Koch sei ein Bekannter von Jan Karras – der wiederum Personenschützer sowie ein sehr guter Freund von Til Schweiger ist. Jan Karras, so der Schauspieler, sei „ein ganz feiner, aufrichtiger Mann“ und „eigentlich der Initiator“ des Flüchtlingsprojekts in Osterode.

Der aufrichtige Jan Karras – ein Mann aus der Hamburger Türsteher-Szene - gibt sich freilich schon mal als ehemaliger Polizeikommissar aus. Was er aber nie war. Wie der stern recherchiert hat, war Karras zwar auf der Polizeischule, brach sie aber vorzeitig ab und zwar offenbar nicht ganz freiwillig. Der Schweiger-Freund spricht von einer nicht genehmigten Nebentätigkeit und einem „beamtenrechtlichen Verfahren“. Darauf sei er gegangen.

„Ich wusste das alles“, beteuert Schweiger jetzt: „Ich wusste auch, dass Jan Karras bei der Polizei war und dann mehr oder weniger gegangen worden ist. Aber für mich ist das nicht entscheidend.“

Für ein geplantes Flüchtlingsheim, das mit öffentlichen Geldern gefördert werden soll, ist es freilich schon entscheidend, welchen Leumund die Betreiber haben. Zumindest bis vor einigen Wochen sah das Landesinnenministerium die Firma des Wolfgang Koch ja ernsthaft als Betreiber einer Erstaufnahmeeinrichtung in Osterode vor – so die Behörde noch im Juni in der Antwort Antwort auf eine parlamentarische Anfrage. Jan Karras sprach unlängst davon, dass er und sein Partner 48 Euro pro Tag und Flüchtling vom Land erhofft hatten – das sei „im Gespräch gewesen“. Bei 600 Asylbewerbern wäre das ein Jahresumsatz von über 10 Millionen Euro. Der NDR berichtete dieser Tage über einen Businessplan der Koch-Firma, in dem ebenfalls ein Tagessatz von 48 Euro sowie eine Jahressumme von 8,6 Millionen genannt seien.

Da sind Nachfragen schon mal geboten. Schweiger regt es offenbar dennoch auf, dass man die Vita seines Personenschützers Karras kritisch untersucht. Auch Hinweise auf die Insolvenz einer Koch-Firma findet er unangebracht. Oder in Schweigers eigenen Worten: „Was ist denn das für eine Scheiße!“

Indem der Filmemacher das Projekt öffentlich unterstützte und ihm damit eine größere Prominenz verlieh, löste er ironischerweise Recherchen wie die des stern aus. Fragen kamen auf. Inzwischen versichert auch das Landesinnenministerium, man sehe Koch nicht mehr als geeigneten Betreiber und das angeblich schon seit geraumer Zeit. „Das sind alles keine Profis in dem Geschäft, was den Betrieb einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge angeht, so wie wir als Land uns das vorstellen“, sagte uns jetzt der Landesinnenminister Boris Pistorius (SPD).

Pistorius ist es auch, der Schweiger überzeugt hat, sich mit seiner geplanten Stiftung zunächst einmal in einem bereits eröffneten Erstaufnahmeheim in Osnabrück zu engagieren.

Das ist sicher eine gute Idee. Als Til Schweiger erstmals ankündigte sich für das Projekt mit Koch und Karras in Osterode zu engagieren – da war auch das ganz sicher gut gemeint. Aber es war nicht gut gemacht. Und darum muss der Filmemacher damit leben, dass Journalisten Artikel über ihn veröffentlichen - auch wenn er die dann als „böse“ empfindet.

Sie können Hans-Martin Tillack auch auf Twitter folgen und zwar hier: @hmtillack

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