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Hans-Martin Tillack Bürgerfern, bürgerferner, Bundestag

Hans-Martin Tillack: Bürgerfern, bürgerferner, Bundestag
Vom Bundestag als deutsche Volksvertretung würde man besondere Bürgerfreundlichkeit und Transparenz erwarten. Tatsächlich aber zeigt er sich bei der Weitergabe von Informationen besonders bockig.

Der Bundestag ist die deutsche Volksvertretung. Also würde man von ihm ein besonders hohes Maß an Transparenz und Bürgerfreundlichkeit erwarten.

Aber der Bundestag ist auch eine Behörde mit einigen tausend Mitarbeitern. Als solche ist er so intransparent und bürgerfeindlich wie es sich kaum ein Bundesministerium erlauben würde.

Zweimal in den vergangenen Wochen musste die Volksvertretung krachende Niederlagen vor Gericht hinnehmen. Die Kollegen von der Tageszeitung „Die Welt“ mussten bis vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen, um sich – und allen anderen Bürgern – das Recht auf den Zugang zu Gutachten zu erstreiten, die der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags im Auftrag von Abgeordneten erstellt hatte. Es handelte sich um Fachgutachten, die mit den Steuergeldern der Bürger erarbeitet wurden. In der Regel sind das keine Papiere, in denen Staatsgeheimnisse verhandelt werden.

Die Bürger, denen der Bundestag diese Informationsblockade zumuten wollte, müssen nun trotzdem die Anwalts- und Gerichtskosten tragen, die in der Sache unter der Verantwortung des Parlamentspräsidenten Norbert Lammert entstanden sind. Der CDU-Politiker kann übrigens in sehr schönen Worten vor dem wachsenden Misstrauen der Bürger gegenüber den politischen Institutionen warnen. Eine weitere juristische Niederlage auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), die der Bundestag jüngst zumindest in erster Instanz erlitt, zeigt wie Lammert und seine Kollegen zu diesem Misstrauen aktiv beitragen: Die Organisation Abgeordnetenwatch obsiegte vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen den Bundestag. Grund des Rechtsstreits: Lammert und Co. hatten sich geweigert, die Namen der Verbände oder Firmen zu nennen, für deren Lobbyisten die Fraktionen von CDU/CSU und SPD mit Genehmigung des Parlaments Hausausweise ausgegeben haben.

Anscheinend will der Bundestag seine Informationsblockade dennoch aufrechterhalten und Rechtsmittel einlegen. So schrieb es vor Tagen jedenfalls der „Tagesspiegel“. Martin Reyher von Abgeordnetenwatch hatte beim Bundestag bereits vor zwölf Tagen nachgefragt, ob sie den Bericht bestätigen könnten – wartete aber bis heute auf eine Antwort.

Denn auch das gehört zum hässlichen Gesicht des Bundestages. Seine Verwaltung glaubt, Anfragen von Journalisten und anderen Rechercheuren einfach tagelang ignorieren zu können – oder mit patzigen Mails zu reagieren.

So ging es mir – nicht zum ersten Mal – in der vergangenen Woche. Weil ich nach älteren Angaben eines Abgeordneten zu seinen Nebeneinkünften suchte, klickte ich auf das dafür vom Bundestag eingerichtete Webarchiv. Tagelang erschien die Anzeige, das Archiv sei „zur Zeit aus technischen Gründen nicht verfügbar“, man bitte um Verständnis.

Also bat ich am Freitag die Pressestelle des Bundestages, mir die gesuchten Angaben zu mailen. Lammerts Presseleute weigerten sich, und sie weigerten sich auch, diese Weigerung zu begründen. Stattdessen versprach ein Mitarbeiter, am Samstag Vormittag gehe das Archiv wieder online.

Ja, genau was Sie denken. Die Seiten waren weder Samstag, noch Sonntag, noch am Montag Vormittag online. Erst am heutigen Nachmittag waren die Angaben wieder auf der Website verfügbar.

Zwischendurch hatte ich mich auf Twitter darüber mokiert:

Die Kollegen von Abgeordnetenwatch waren – wie ich dann lernte – sogar bereits Mitte Mai darauf gestoßen, dass die Archivseiten ausgefallen waren. Ihnen machte der Bundestag damals Hoffnung, das Problem „bis zur Sommerpause“ zu lösen.

Diese Pause begann am 4. Juli. Hat also fast geklappt – nach nur zwei Monaten Warten. Warten auf Norbert L.

Sie können Hans-Martin Tillack auch auf Twitter folgen und zwar hier: @hmtillack

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