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Hans-Martin Tillack „Filmreife Geschichte“

Ein Flughafenplaner, der in Wahrheit nicht einmal Ingenieur ist, sondern nur über einen Gesellenbrief als technischer Zeichner verfügt – diese Story, die der stern am Dienstag publik machte, stieß verständlicherweise auf ein starkes Echo.

„Die desaströseste Baustelle der Region hat eine neue filmreife Geschichte hervorgebracht“, kommentierte der RBB. Die FAZ fühlte sich angesichts des Offenbacher Nicht-Ingenieurs Alfredo di Mauro an den hochstapelnden „Hauptmann von Köpenick“ erinnert und auf Twitter machte ein Scherz die Runde: Der Problemflughafen BER sei halt keine Meisterleistung - sondern nur „ein Gesellenstück“.

Den Berliner Airport-Erbauern schlage viel „Häme“ entgegen, beklagte Hartmut Mehdorn, der Chef der Flughafengesellschaft in einem Interview mit n-tv. Aber wie sollte es auch anders sein, wenn ein Planer acht Jahre auf der Baustelle wirkt, er von der Flughafengesellschaft als „Dipl.-Ing.“ angeschrieben wird – und keiner merkt, dass dieser Titel nur angemaßt ist?

Lässt man den Spott beiseite, bleiben ernste Fragen: Warum hatte niemand nach di Mauros Diplom und nach seinen Referenzen gefragt, als er 2006 begann, die hochkomplizierte Entrauchungsanlage für den Flughafen mitzuplanen?

Die von Mehdorn geführte Flughafengesellschaft hat gestern Abend nach drei Tagen Wartezeit mit einigen dürren Worten auf Fragen des stern reagiert. Di Mauro sei bis 2012 lediglich „als Unter- oder Unterunterauftragnehmer“ des damaligen Planungskonsortiums pg-bbi am Flughafen beschäftigt gewesen, erklärte Sprecher Ralf Kunkel.

Nachdem man der pg-bbi im Mai 2012 gekündigt hatte, habe die Flughafengesellschaft unter Mehdorns Vorgängern mit di Mauros - angeblichem - Ingenieurbüro Technik Consult GmbH Einzelverträge geschlossen, wie auch mit etlichen anderen früheren Unterauftragnehmern der pg-bbi. Nach Mehdorns Amtsantritt im März 2013 habe di Mauro keine Aufträge mehr erhalten. Und ja, der Planer habe sich per elektronischer Visitenkarte als „Dipl.-Ing.“ ausgewiesen.

Vor acht Jahren war der Offenbacher nach seinen eigenen Worten zunächst als freier Mitarbeiter für die Mülheimer Firma IGK-IGR Ingenieurgesellschaft Kruck zu dem Flughafenprojekt gestoßen. Doch dieses Unternehmen kann man nicht mehr fragen, unter welchen Umständen di Mauro angeheuert wurde. Die IGK-IGR ging bereits 2010 in die Insolvenz; ihr ehemaliger Chef Gerhard Kruck war bisher telefonisch nicht zu erreichen.

Krucks Firma habe di Mauro im Schlepptau gehabt, erinnert man sich auch bei den ehemaligen Flughafenplanern aus dem Büro des Architekten Meinhard von Gerkan. „Er wurde uns damals als Ingenieur vorgestellt“, sagt Michael Kuhn, der Kommunikationschef von Gerkan, Marg und Partner (gmp). Über die stern-Enthüllung sei man „total überrascht“ gewesen.

Keiner zweifelte in der Folge di Mauros Ingenieursqualifikation an – was durch das selbstbewusste Auftreten des 52-Jährigen Mannes erleichtert worden sein mag. „Wenn man Ingenieurleistungen erbringt, dann fühlt man sich auch als Ingenieur“, sagte der gebürtige Italiener Journalisten des Senders RTL: „Man widerspricht nicht, wenn man als Ingenieur angesprochen wird“, so di Mauros Philosophie.

Hartmut Mehdorn spricht heute davon, dass es vor seiner Zeit als Flughafenchef eine „zum Teil skurrile Arbeitsteilung“ auf der Flughafenbaustelle gegeben habe. Da wimmelte es von Unterauftragnehmern sowie „Sub-Sub-Sub-Unternehmen“, wie Andreas Otto von den Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus spottet. Da hätte es eines koordinierenden privaten Generalübernehmers bedurft sowie eines funktionierenden Controllings auf Seiten der staatlichen Flughafengesellschaft. Beides fehlte offensichtlich.

Welche Blüten das Unterauftragswesen an der BER-Baustelle treibt, hatte der stern schon in einem anderen Fall im August 2012 publik gemacht. Damals stellte sich heraus, dass ausgerechnet ein polizeibekannter potentieller islamistischer Gefährder als Sicherheitsmann vor dem Flughafenkomplex eingesetzt war. Er war als Mitarbeiter eines Subunternehmens an den Job gelangt, das seinerzeit selbst für ein Subunternehmen der Sicherheitsfirma Securitas arbeitete.

Die „Subis“, das sei ein Problem, gesteht ein Mann aus der Berliner Planerszene. Und selbst bei der Flughafengesellschaft hat man offenkundig wenig Hoffnung, jemanden wie di Mauro für etwaige Planungsfehler haftbar zu machen. Fragen des stern zu möglichen Regressforderungen an den technischen Zeichner – dessen zweiköpfige Mini-Firma Technik Consult im Jahr 2012 einen Bilanzgewinn von über 640 000 Euro auswies – ließ die staatliche kontrollierte Mehdorn-Gesellschaft unbeantwortet.

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