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Hans-Martin Tillack Gregor Gysi, Züblin und ein Spiel um 193 Millionen

Hans-Martin Tillack: Gregor Gysi, Züblin und ein Spiel um 193 Millionen
Gregor Gysi jüngste Nebentätigkeiten erscheinen zunehmend merkwürdig. Der Linken-Fraktionschef reagiert auf Kritik empfindlich.

Für einen Mann von seiner Statur kann Gregor Gysi erstaunlich empfindlich sein. Am Montag beschwerte er sich bei mir per Mail („Werter Herr Tillack“) darüber, dass ich Anfragen an sein Anwaltsbüro und also auch an ihn „regelmäßig mit der Einleitung ‚Sehr geehrte Damen und Herren’" begonnen habe. Gysi weiter: „Da ich dazu gehöre, darf ich aber bezweifeln, dass Sie mich sehr verehren.“

Der Linken-Politiker war verärgert, nachdem wir vor zwei Wochen über seine Nebentätigkeit für eine Immobilienfirma berichtet hatten. Den Artikel sah er als Beleg für „Voreingenommenheit“ und „Bösartigkeit“ – und eben für mangelnde Verehrung.

Am Dienstag haben wir dann dennoch erneut über eine etwas ungewöhnlich erscheinende Nebentätigkeit des Linken-Fraktionschefs berichtet. Wieder setzte sich Gysi für die Interessen eines Immobilienunternehmens ein. Und wieder war Gysis Adressat ausgerechnet eine Behörde, die von einem Parteifreund geführt wird: Das Landesfinanzministerium von Brandenburg.

In einem Brief an den dortigen Ressortchef Christian Görke vertrat Gysi am 22. Juni den Leipziger Immobilienunternehmer Oliver Bechstedt. Der hat Ansprüche auf eine über 100 Hektar große Immobilie in Potsdam-Krampnitz erworben, die das Land eigentlich wieder für die öffentliche Hand sichern will – nachdem das ehemalige Kasernengelände unter Görkes Vorvorgänger zu einem erstaunlich niedrigen Preis an diejenigen Leuten verkauft worden war, von denen es die Firmen des Oliver Bechstedts im Herbst 2014 übernahmen.

Es geht nicht um Peanuts. Das Land hatte das Areal seinerzeit für vier Millionen Euro verkauft. Ein Gutachter schätzte den Wert des Geländes auf 25 Millionen Euro. Eine Immobilienfirma, die jüngst Interesse an dem Areal zeigte, sah ein Investitionsvolumen von 193 Millionen Euro. Eine ganze neue Vorstadt mit allem Drum und Dran – gut gelegen auf halbem Weg zwischen Potsdam und Berlin – könnte hier eines Tages entstehen. So ähnlich stellte es auch Gysi in seinem Brief an den Finanzminister dar: Sein Mandant habe die Absicht, „auf dem Gelände ausreichend Wohnungen, Kindertagesstätten und Schulen zu errichten“.

In Brandenburg sorgen die Berichte über Gysis Interventionen für einige Aufregung, nicht nur bei der oppositionellen CDU. Selbst im Linken-geführten Landesfinanzministerium schüttelt man angeblich inzwischen den Kopf.

Der Finanzminister von Brandenburg will – und muss - die finanziellen Interessen des Landes und der Steuerzahler wahren. Gysi dagegen wollte dem Leipziger Investor helfen, seine privaten Interessen zu sichern. Bechstedts Eigentumsrechte möge das Land nun bitte anerkennen, verlangte Gysi in dessen Namen in dem erwähnten Brief vom 22. Juni, in dem er am Ende anbot, „eine Lösung zu finden, die im Interesse sämtlicher Beteiligten liegt“.

Natürlich darf ein Unternehmer für seine Rechte kämpfen und Anwälte anheuern, um zur Not auch auf Kosten des Landes Geld zu verdienen. Nur passt diese Causa nur schlecht zu dem politischen Programm von Gysis Linkspartei.

Der Fraktionschef mag das nicht verstehen. Er verbittet es sich, „bestimmte Qualitätsmaßstäbe“ an seine Mandanten zu legen. Er will also nicht, dass man den Anwalt Gysi an den Ansprüchen des Politikers Gysi misst.

Gysi meint auch, es sei völlig normal, dass er einen Mandanten rechtlich vertrete und dann auch mal – wie ebenfalls schon geschehen - den Landesjustizminister von Brandenburg anschreibe. Auch der ist ein Linken-Politiker. Im Fall Krampnitz lag die Sache freilich anders: Da gibt es zwar einen Rechtsstreit zwischen Bechstedt und dem Land, doch vor Gericht ist Gysi gar nicht der Anwalt des Unternehmers. Den Linken-Politiker beschäftigte der Investor ausschließlich, um per Brief um Gesprächstermine mit dem Finanzminister und dem Oberbürgermeister zu bitten und um einen Vergleich zu werben. Gysi sollte also eher als Türöffner agieren – ein Vorgehen, das man sonst von Lobbyisten kennt.

Die Liste der Merkwürdigkeiten ist damit noch nicht zu Ende. So hatten zwei Firmen, die für Bechstedt in Krampnitz eingestiegen waren, zeitweise die Wiener Immobilienunternehmerin Tamara Guttmann und ihre Solesko GmbH mit im Boot. Guttmann soll in jungen Jahren im Metallhandel mit der Sowjetunion aktiv gewesen sein und gilt als Russland-Expertin. In der Zwischenzeit ist die Unternehmerin – die auf Fragen des stern nicht reagierte - bei den beiden Bechstedt-Firmen wieder ausgestiegen.

Im Februar hatte der Leipziger Unternehmer selbst Guttmanns Abberufung als Geschäftsführerin seiner Potsdam Projektentwicklungsgesellschaft mbH unterschrieben:

Das Ausscheiden der Solesko GmbH bei einer weiteren in Sachen Krampnitz aktiven Firma besiegelte Bechstedt im Mai:

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Umso verwirrender erscheint eine Stellungnahme des Investors, nachdem ihn der stern zu der Kooperation befragt hatte. „Weder die Solesko GmbH noch Frau Tamara Guttmann spielen eine Rolle in dem Zusammenhang mit dem Areal in Krampnitz“, ließ er eine Presseanwältin erklären. Die Juristin fügte hinzu: „Da es keine Zusammenarbeit mit der Solesko GmbH oder Frau Tamara Guttmann in dem Zusammenhang mit dem Areal in Krampnitz gab, erfolgte auch keine Trennung.“

In Potsdam spinnen einige bereits Theorien wegen gleich mehrerer Spuren, die angeblich nach Russland weisen. In dem anderen Fall, in dem Gysi auftrat – beim Verkauf des ehemaligen Landtags in Potsdam – ist nämlich der Baukonzern Züblin mit im Boot. Er soll den Umbau dieses Gebäudes übernehmen, das den Spitznamen „Kreml“ trägt, seit es zu DDR-Zeiten die SED-Bezirksleitung beherbergte.

Züblins Konzernmutter ist die österreichische Firma Strabag, die wiederum zu Teilen von dem Moskauer Oligarchen Oleg Deripaska kontrolliert wird. Das ist zwar noch kein Beleg für eine Russen-Connection. Aber sicher ist: Züblin erwägt auch, sich in Sachen Krampnitz zu engagieren. Das dortige Projekt werde „im Rahmen der üblichen Akquise aufmerksam verfolgt“, sagte eine Konzernsprecherin dem stern. Allerdings hat man dort nach eigenen Angaben keinen Kontakt zu Bechstedt und dessen Helfer Gysi, sondern setzt darauf, dass die Stadt Potsdam das Areal irgendwann entwickelt.

Zu viel Nähe zu Züblin würde ja auch wieder schlecht zu den Prinzipien des Gregor Gysi passen. Er sieht sich nämlich eher als Anwalt der kleinen Firmen – gegen die Großen.

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