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Hans-Martin Tillack Gutes Amt, schlechtes Amt

Es ist nicht alles schlecht, nicht einmal im Presseamt der Bundesregierung.

Im stern, der morgen erscheint, berichten wir über fragwürdige Umfragen, die das Bundespresseamt (BPA) regelmäßig mit Steuergeldern erstellen lässt. So erheben demoskopische Institute für Kanzlerin Angela Merkel auch Daten über die Beliebtheit und die Kompetenzwerte der wichtigsten Parteien. Doch das widerspricht nach Ansicht führender Parteienrechtler der Neutralitätspflicht des Staates. Auch das dem Bundesrechnungshof unterstehende Prüfungsamt des Bundes in Berlin hatte ähnliche Umfragepraktiken des BPA bereits unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder gerügt. Der wiederum hatte diese Methoden nicht eingeführt, sondern sie von seinem CDU-Vorgänger Helmut Kohl übernommen.

So weit, so schlecht. Doch die Ehrlichkeit gebietet es, auch noch einen anderen Aspekt unserer Recherche zu vermelden. Diese wäre nämlich nicht möglich gewesen, hätten wir nicht zuvor vom Presseamt Einsicht in die Umfragen erhalten, die die wechselnden Regierungen über die Jahre hinweg in Auftrag gegeben hatten.

Anfang Juli hatte ich diese Einsicht auf Basis des Informationsfreiheitsgesetz (IFG) erbeten. Nach einigen Wochen Wartezeit wurde ich eingeladen, in einem Büro des Presseamtes die Akten zu studieren und mir Kopien zu machen. So verbrachte ich mehrere Tage im BPA-Dienstgebäude am Berliner Reichstagufer. Die zuständigen Mitarbeiter der Behörde waren übrigens sehr freundlich und hilfsbereit.

Wahr ist auch: Ich hatte einen Rechtsanspruch auf die Einsicht in die Unterlagen. Keiner der – zahlreichen – Ausnahmetatbestände nach dem IFG hätte auch nur ansatzweise erlaubt, mir den Zugang zu den Umfragen zu verwehren (das muss beim Verfassen des Gesetzes vor sieben Jahren irgend jemand übersehen haben).

Trotzdem erlebt man es im Alltag bis heute immer wieder, dass Behörden die Einsicht in Akten auch dann blockieren, wenn es dafür keine fundierten Gründe gibt. Hier war das anders.

Vielleicht ist die neue Offenheit ja auch ein Ausfluss des Bürgerdialogs, den die Kanzlerin unlängst hatte abhalten lassen. In dessen Rahmen hatte Merkel auch Experten eingeladen und um Reformvorschläge gebeten. Eine der Forderungen der beteiligten Fachleute war die nach mehr Offenheit der Regierungsbürokratie: „Transparenz des Regierungs- und Verwaltungshandelns ist eine fundamentale Voraussetzung für die freie Meinungsbildung in der Demokratie“, ließen die Fachleute die Kanzlerin wissen (Seite 46 in dem Bericht unter diesem Link).

Und oh Wunder: Obwohl das IFG seinerzeit von der rot-grünen Koalition gegen den Widerstand der CDU durchgesetzt worden war, scheint nun auch die Christdemokratin Merkel bereit, mehr Offenheit zumindest zu erwägen. Sie ließ den Expertenrat, das IFG und einige weitere Gesetze bürgerfreundlicher zu gestalten, vor einigen Wochen offiziell aufgreifen und kündigte an, darüber mit den Ministern Hans-Peter Friedrich (Inneres) und Wolfgang Schäuble (Finanzen) zu sprechen.

Vielleicht doch nur Geklingel im Vorwahlkampf? Auch da sollte man bald noch einmal nachfragen.

Nachtrag vom 21.9.12: Hier noch die Links zu zwei zusätzlichen Artikeln über die Umfragepraktiken des Bundespresseamtes, über Merkels heimliches Ministerranking und darüber, wie die Kanzlerin das Milieu der Netzaktivisten erforschen ließ.

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