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Hans-Martin Tillack Lobbyisten im Wahlkampfstress

Die Agentur Johanssen + Kretschmer will Lobbyisten helfen, auch im Wahljahr Einfluss auf die Parteien zu nehmen. Ihr Joint Venture „Super J+K“ berät zugleich die SPD.

Auch weil eine mögliche Beteiligung der SPD an einer künftigen Bundesregierung ein kleines Stückchen näher gerückt scheint, verdient ein internes Schreiben Beachtung, das die Berliner Werbeagentur Johanssen + Kretschmer (J+K) bereits im vergangenen Herbst an Lobbyisten verschickte. Ja, genau die Agentur, deren Werbe-Joint-Venture „Super J+K“ (Partner: „Super an der Spree“) die SPD im Bundestagswahlkampf begleitet.

J+K-Geschäftsführer Heiko Kretschmer, ein früheres Juso-Bundesvorstandsmitglied, lud im vergangenen Herbst dutzende Verbände zu einem Frühstückstreffen am 2. November und einem weiteren Termin am 13. November ein. „Die Weichen für das Regierungshandeln nach der anstehenden Bundestagswahl werden bereits heute gestellt“, warnte Kretschmer in seiner Einladung die Lobbyisten. Denn die „Parteizentralen“ bereiteten bereits jetzt „erste Entscheidungen über die thematische Aufstellung für das Wahlkampfjahr vor“. Doch das stelle Firmen und Verbände vor besondere Schwierigkeiten, weil:

„Im Wahlkampfjahr nehmen Anlässe und Einflussmöglichkeiten tagesaktueller Lobbytätigkeit kontinuierlich ab, weil der Fokus ‚der Politik’ zunehmend in Richtung Machterhalt / -erwerb und seiner inhaltlichen Begründung wandert. Fachliche Entscheidungen werden teilweise in neuen Arenen vorbereitet und unterliegen in größerem Maße einer innerparteilichen Meinungsfindung. Um erfolgreich zu sein, muss sich das Management der politischen Interessenvertretung dieser Logik anpassen.“

So weit Kretschmer. Im Klartext: Die Agentur J+K, deren Joint Venture „Super J+K“ Ende 2011 einen SPD-Auftrag für die Bundestagswahl 2013 bekam, informiert Berliner Lobbyisten über die Probleme, die dieser Wahlkampf für sie bringt. Aber PR-Mann Kretschmer hatte auch das Konzept für die Problemlösung bereit: Der Ansatz „Agenda Setting Regierungsprogramm 2013“, den er gerne den Interessenvertretern nahebringen wollte. Kernpunkt „für Verbände und Unternehmen“, so Werber Kretschmer: „Die eigenen Interessen sollten nach Möglichkeit so in den Wahlprogrammen und ‚mind sets’ jeder möglichen Koalitionspartei verankert werden, dass die Regierung der kommenden Wahlperiode zu konkreten Schritten veranlasst wird.“

Noch einmal ganz langsam: Eine Tochter der Agentur J+K macht einerseits Werbung für die SPD und damit auch für deren Programm – und andererseits bietet die Mutterfirma J+K Lobbyisten Hilfe bei dem Versuch an, dieses Programm zu beeinflussen.

Ist das nicht ein Interessenkonflikt? Sowohl SPD wie J+K bestreiten das. Die Agentur sei „nicht Vertragspartner des SPD-Parteivorstands“, wiegelt eine Parteisprecherin ab; das sei ausschließlich deren Tochter „Super J+K“. Und, so die Sprecherin, „ein Einfluss unserer Kommunikationsagentur auf die inhaltliche Arbeit der SPD besteht in keiner Weise“ und sei auch nicht Gegenstand der „Vertragsbeziehung“.

Aber hatte J+K nicht zumindest potentiellen Kunden suggeriert, sie könnten über die Agentur Einfluss auf die SPD nehmen? Geschäftsführer Kretschmer bestreitet das vehement. „Dieses zu suggerieren wäre auch Unfug, da es unsere beratende Einschätzung ist, dass Agenturen oder Berater die innerparteilichen Meinungsbildungsprozesse politischer Parteien gar nicht beeinflussen können“, schrieb er auf unsere Anfrage in entwaffnender Offenheit.

Das gelte „umso mehr, als 2012/13 erstmals fast alle im Bundestag vertretenen Parteien auch partizipative Elemente der Bürgerbeteiligung durchführen“. Solche Prozesse könnten nicht von Beratern beeinflusst werden, versicherte Kretschmer. Also müssten sich Interessenvertreter „sehr viel stärker“ mit der "öffentlichen und medialen Agenda“ beschäftigen. Soll wohl heißen: Themen setzen und öffentliche Debatten beeinflussen.

Doch genau mit solchen Fragen des Agenda Settings beschäftigten sich ja auch normalerweise Werbeprofis, die Parteien wie die SPD beraten. In dem Fall das Joint Venture „Super J+K“.

Kretschmer sieht dennoch keinen Interessenkonflikt: „Der Grundsatz der Transparenz verlangt die Offenlegung von Beratungsmandaten, die in Konflikt geraten könnten. Dieses macht J+K in entsprechenden Fällen, auch wenn J+K in diesem Fall nicht Auftragnehmer der SPD ist. Der SPD sind insofern solche Mandate bekannt. Dies verhindert mögliches intransparentes Agieren im Interesse eines anderen Klienten“, schreibt er.

Immerhin, der Mann hat einen Ruf zu verlieren. Er selbst reklamiert an prominenter Stelle auf seinem Twitter-Profil die Grundsätze von „Ethik und Transparenz in der Kommunikation“ für sich. Und der Ex-Juso ist sogar „Ethikbeauftragter“ der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung (de’ge’pol).

Ethischer Lobbyismus – offenbar nicht immer einfach.

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