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Hans-Martin Tillack Verheugen, der Bulgarien-Versteher

Neues von EU-Kommissar Günter Verheugen und seiner Kabinettschefin Petra Erler. Diesmal geht es nicht um Baden ohne Hose, sondern um Wäsche ohne Nässung des Pelzes. Genauer: Um die Verharmlosung der Korruption in Bulgarien und Rumänien.Vorgestern hatte die EU-Kommission die beiden Balkanrepubliken einigermaßen scharf gerügt, jedenfalls gemessen an Brüsseler Standards. Gegen die grassierende Korruption in den beiden 2007 in die EU aufgenommenen Ländern werde zu wenig getan - zumal dann, wenn mächtige Politiker involviert seien. "Abgesehen von einigen wenigen Fällen bleibt der Großteil derartiger Straftaten in Bulgarien ungeahndet", urteilte die Kommission. Dem ärmsten aller EU-Staaten wurden gar EU-Mittel über 486 Millionen Euro gesperrt, weil die Brüsseler Subsidien zu häufig in dunkle Kanäle fließen.

Doch die Berichte waren deutlich milder im Ton als die Entwürfe, die zuvor die zuständigen Beamten verfasst hatten. Unbekannt war bisher nur, wer es war, der den Weichspüler eingerührt hatte.

Jetzt wissen wir es: Zum Beispiel Petra Erler. In der Sitzung der Kabinettschefs - eine Kaste von Edel-Büroleitern der Kommissare - bestand sie am Dienstag dieser Woche darauf, im Bericht für Bulgarien die "ermutigenden Formulierungen zu verstärken“. So steht es im vertraulichen Protokoll der Sitzung, das uns ein Insider zuspielte.

Erler schlug sich damit auf die Seite des Kabinettschef der bulgarischen Kommissarin Meglena Kuneva, John Bell. Der wollte gleich "mehrere Passagen in verschiedenen Dokumenten" überarbeitet sehen und regte einen "positiveren Ausblick" auf die Lage in Kunevas Heimatland an. Die bulgarische Lobby setzte sich durch und die Texte wurden verwässert, auch weil in der Sitzung die Mitarbeiter der polnischen Kommissarin und des ungarischen Vertreters in den Chor der Bulgarien-Versteher einstimmten.

Der Kommissionssprecher verkündete anschliessend sogar öffentlich, sowohl Bulgarien wie Rumänien hätten bei der Korruptionsbekämpfung "Fortschritte gemacht" – wenn auch "mehr geschehen" müssen.

Das kontrastiert freilich merkwürdig mit dem Urteil praktisch aller Kenner der beiden Länder. Sogar ein von der EU-Kommission bestelltes Gutachten des belgischen Staatsanwalts Willem de Pauw kam im November 2007 zu dem Schluss, dass es in Rumänien "statt Fortschritten im Kampf gegen die Groß-Korruption an allen Fronten Rückschritte" gebe. Pauw konstatierte einen "intensiven Widerstand praktisch der gesamten politischen Klasse Rumäniens gegen die Korruptionsbekämpfung". Sein Gutachten hielt die Kommission unter Verschluss, bis es vor ein paar Tagen von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und dem britischen "Economist" publik gemacht wurde.

In Bukarest war bereits wenige Monate nach dem Beitritt des Landes zur EU die engagierte Justizministerin Monica Macovei geschasst worden. Sie war es, der es Rumänien überhaupt zu verdanken hatte, dass das Land beim Beitritt zumindest den Eindruck erweckte, es gebe Fortschritte beim Kampf gegen Korruption. Kaum war das Land in der EU, war Macovei persona non grata. Und Rumänien fiel zurück in die "Kleptokratie", wie es die Journalistin Valentina Pop formulierte.

Inzwischen hat der rumänische Verfassungsgerichtshof gar entschieden, dass selbst ehemalige Regierungsmitglieder immun gegen Strafverfolgung seien. Davon kann sogar ein Silvio Berlusconi nur träumen.

In Bulgarien werden immer wieder Fälle bekannt, bei denen organisierte Kriminelle EU-Subventionen abzweigen. Aber in der Regierung in Sofia gibt es selbst nach Einschätzung des wenig aggressiv ermittelnden EU-Betrugsbekämpfungsamtes Olaf "starke Kräfte", die gar "kein Interesse" haben, gegen die Täter vorzugehen.

Es war der SPD-Politiker Verheugen, der bis zum Jahr 2004 als Erweiterungskommissar mit dafür gesorgt hatte, dass Rumänien und Bulgarien ein EU-Beitritt zugesagt wurde, der für beide zweifellos zu früh kam. Verheugen-Mitarbeiterin Erler kann natürlich auch im Rückblick kein Fehlverhalten erkennen. Dank der Beitritte sei "die Region stabiler als damals". Auch ihre Verwässerungsaktivitäten findet die Beamtin keineswegs verwerflich. Man müsse eine Sprache benutzen, "die ein Volk nicht demütigt, sondern ermutigt".

In Wahrheit ermutigt Brüssel nicht die Völker von Bulgarien und Rumänien, sondern deren korrupte Politeliten. Die Bürger beider Länder sind die Leidtragenden. Ein bekannter rumänischer Journalist sagte mir kürzlich, er selbst wäre froh gewesen, hätte die EU sein Land 2007 nicht aufgenommen - um den Reformdruck aufrechtzuerhalten.

Warum es Sinn macht, die Mafia des Ostbalkans mit Brüsseler Steuergeldern zu mästen, sollte die EU-Kommission jedenfalls erst noch erklären. Auch den Steuerzahlern im Rest der Union. Insgesamt 36 Milliarden Euro sind für Bulgarien und Rumänien bis 2013 vorgesehen. Ganz recht, Milliarden.

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