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Hans-Martin Tillack Wie sich die FDP verrechnete

Der stern hat die FDP vor Gericht verklagt. Warum denn das?

Normalerweise sind es andere, die versuchen uns zu verklagen, wegen Artikeln, die ihnen nicht gefallen. Jetzt sind wir als Redaktion des stern gegen eine Partei vorgegangen. Das ist ein ziemlich ungewöhnlicher Vorgang. Aber die FDP hat sich auch etwas geleistet, was gelinde gesagt unüblich ist.

Ende vergangener Woche haben wir der FDP vom Landgericht Hamburg per einstweiliger Verfügung untersagen lassen, insgesamt 21 Fragen auf ihrer Website zu veröffentlichen, die wir zuvor an die FDP gerichtet hatten. „Wir stehen für Transparenz“ – unter diesem Titel hatte die FDP unsere Fragen und ihre Antworten online gestellt.

Der Hintergrund war eine stern-Recherche über liberale Finanzpraktiken, die uns eher wenig transparent erschienen. Am Donnerstag haben wir im stern über einige unserer Entdeckungen berichtet, etwa über den Verdacht, dass die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung der FDP womöglich über den Umweg über Firmengeschäfte eine verdeckte Spende zukommen hatte lassen.

Bereits am 23. Oktober hatte ich dazu der FDP-Pressestelle einen - zugebenermaßen langen – Katalog mit 16 Fragen übermittelt. Weil die Fragenliste so lang war, hatten wir der Partei mitgeteilt, dass wir einverstanden seien, wenn uns die Antworten erst nach sechs Tagen gegeben würden. Das sagte der FDP-Sprecher zunächst zu; doch dann kamen die Antworten doch erst am Freitagabend vorvergangener Woche – zusammen mit der Ankündigung, die Liberalen würden sowohl unsere Fragen wie Antworten auf ihrer Homepage veröffentlichen.

Das taten die Liberalen dann auch sogleich, obwohl ich einer Veröffentlichung ausdrücklich widersprochen hatte. Worauf wir über unsere Anwältin die FDP auffordern ließen, unsere Fragenkataloge wieder zu löschen. Dieser Aufforderung folgte die FDP zunächst; die Fragen wurden wieder gelöscht. Doch Anfang letzter Woche standen unsere Fragen wieder online, sogar ergänzt um einige Zusatzfragen, die wir in der Zwischenzeit an die FDP gerichtet hatten. Bis wir vor dem Landgericht Hamburg die einstweilige Verfügung erwirkten.

Warum diese Klage? Journalisten haben das Urheberrecht an ihren Fragenkatalogen und an den Rechercheergebnissen, die sich in diesen Fragen widerspiegeln. Darauf hatte im Januar – zu Recht – auch der Anwalt des seinerzeitigen Bundespräsidenten Christian Wulff verwiesen. Bevor er die Anfragen an seinen Mandanten – auch meine – offenlegen konnte, brauchte er dazu das Einverständnis der Redaktionen, die angefragt hatten.

Dafür gibt es gute Gründe. Wenn wir Betroffene unserer Recherchen vorab konfrontieren, folgen wir unserer journalistischen Sorgfaltspflicht. Daraus folgt auch: Die Fragen spiegeln unseren vorläufigen Kenntnisstand. Derartige journalistische Mailanfragen sind also nicht für die digitale Ewigkeit formuliert.

Hinzu kommt: Wenn wir Journalisten nicht mehr darauf rechnen können, dass wir selbst entscheiden, wann wir unsere Erkenntnisse veröffentlichen, können wir uns aufwändige Recherchen kaum noch leisten – weil dann andere vorgewarnt sind, bis hin zu den Konkurrenzblättern. Wir leben – überwiegend - vom Geld unserer Leser. Nur wenn wir ihnen neue Informationen bieten können, werden sie für unsere Inhalte bezahlen.

Der Gedankengang mag manchem radikalem Urheberrechtsgegner fremd klingen – doch von einer liberalen Partei hätte man erwartet, dass sie diese Problematik zumindest in groben Zügen begreift.

Nicht so die FDP-Bundesgeschäftsstelle. Dass wir mehrfach auf unsere Urheberrechte hingewiesen hatten, kümmerte dort keinen.

Dabei nutzten die Liberalen unsere Rechercheleistung ironischerweise sogar für die von ihr veröffentlichten eigenen Antworten. Am Montagabend vergangener Woche hatten wir weitere ergänzende Antworten der FDP auf einige ergänzende Fragen bekommen, unter anderem zum Eigenkapital einer FDP-eigenen Firma am Ende des Jahres 2001. Die Zahl war von den Liberalen in Deutscher Mark angegeben worden, konnte aber nach meiner Einschätzung nur auf Euro lauten. Ich fragte nach – und tatsächlich: Die FDP hatte die beiden Währungen verwechselt. In der auf der FDP-Website publizierten Version war der Betrag dann in Euro angegeben – dank der Nachhilfe des stern.

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