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Hans-Martin Tillack Auf der Spur der Regierungssponsoren

"Ich rufe an wegen meiner Anfrage auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes", sagte ich. "Was für ein Gesetz?", fragte die Ministerialbeamtin am Telefon, ziemlich irritiert.Sie ist nicht die einzige Behördenvertreterin, die mit der neuen Rechtslage noch nicht so gut vertraut ist. Obwohl das Informationsfreiheitsgesetz (kurz IFG) schon seit gut einem Jahr in Kraft ist.

Seitdem haben nun auch wir Deutschen als (fast) letzte in Europa ein Recht, das Amerikaner seit Jahrzehnten besitzen und Schweden sogar seit Jahrhunderten: Einblick zu nehmen in die Akten der Behörden.

Genauer: Die Deutschen haben zwar das Recht, aber es existiert oft nur auf dem Papier. Das Gesetz - geschrieben von den Beamten, die die Akten verwalten - hat viele Spezialklauseln. Seit Januar 2006 habe ich viele Anträge an diverse Bundesministerien gestellt und eine Menge wurden abgelehnt. Der Terminkalender des früheren Kanzleramtschefs Steinmeier? Abgelehnt, weil "keine amtlichen Informationen" im Sinne des Gesetzes! Die Anschaffungspreise der Dienstwagen des Kanzleramtes? Abgelehnt, weil "Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der Zulieferer"! Flugdaten CIA-verdächtiger Jets? Abgelehnt, "weil die Sorge besteht, dass eine nicht sach- und fachgerechte Interpretation der Daten zu einer Beeinträchtigung der auswärtigen Beziehungen führen kann"!

Letztere ist zweifellos eine besonders schöne Begründung. Achtung! Falsche Interpretationen informierter Bürger gefährden Ihre auswärtigen Beziehungen!

Aber jetzt hatte ich das erste mal richtig Erfolg mit der Informationsfreiheit, wenigstens teilweise. Neun Bundesministerien erlaubten mir einen Einblick in die internen Listen mit ihren Sponsoren. Von denen gibt es mehr als man denkt. Der Rüstungskonzern EADS bezuschusst den Generälen der Bundeswehr schöne Feste (Ball der Luftwaffe, Ball des Sanitätsdienstes etc). Die Deutsche Telekom finanziert einem Beamten des Verkehrsministeriums eine Reise zu einem Kongress in Washington, und so weiter. Details im neuesten stern.

Beim Informationsfreiheitshürdenlauf braucht man trotzdem einen langen Atem. Meine Recherche begann bereits im August 2006. Da hatte ich zu meiner Verblüffung festgestellt, dass zwar eine Regierungsvorschrift verlangt, die Sponsoren der Regierung "transparent zu machen". Doch im öffentlichen Sponsoringbericht standen die Namen trotzdem nicht.

Merkwürdig, dachte ich. Ist es nicht gerade der Sinn des Sponsoring, dass die Namen der Sponsoren bekannt werden? Also stellte ich eine IFG-Anfrage an das Innenministerium und bat um die Liste mit den Sponsoren. Das Ministerium lehnte ab. Sie hätten keine Liste und seien auch nicht verpflichtet, eine zu erstellen. Die meisten Informationen lägen sowieso bei den einzelnen Ministerien.

Nun schickte ich - nach Beratung mit einem IFG-kundigen Juristen - E-Mails an 14 Ministerien und das Kanzleramt: Ich wolle Einblick in die Akten.

Juristisch war die Anfrage offenkundig wasserdicht. Ächzend setzte sich der Verwaltungsapparat in Bewegung. Das Innenministerium genehmigte meinen Antrag und lud mich in den Berliner Ministeriumssitz. Bewacht von einer Beamtin durfte ich in den Akten blättern. Das Verkehrsministerium genehmigte und lud mich an den Bonner Ministeriumssitz. Ich flog hin und blätterte in den Akten - ein Beamter auf dem Stuhl links von mir, einer auf dem Stuhl rechts. Höchste Sicherheitsstufe eben - ein Bürger vor unseren Akten! Vorher musste ich sogar meinen Personalausweis vorzeigen.

Das Verteidigungsministerium stellte sich erst besonders uneinsichtig. Zunächst müsse man alle Sponsoren fragen, ob sie mit der Akteneinsicht einverstanden seien. Ich protestierte. Die Sponsoren hätten wissen müssen, dass ihre Namen veröffentlicht werden, argumentierte ich und beschwerte mich beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar. Dessen Mitarbeiter intervenierten im Verteidigungsministerium. Nun bekam ich auch dort eine Liste mit dessen Sponsoren. Und außerdem frischen Kaffee sowie Kekse.

Einige Ministerien gaben mir die Informationen gratis. Andere stellten horrende Gebühren in Rechnung. Das Innenministerium berechnete 390 Euro, plus 12,20 Euro für 122 kopierte Seiten. Gott sei Dank ist dem stern Recherche etwas wert. Einige Ministerien haben mir bis heute - zweieinhalb Monate nach meinem Antrag - keine Informationen geliefert. Zum Beispiel die Häuser von Justizministerin Brigitte Zypries und Finanzminister Peer Steinbrück (beide SPD). Oder die Ressorts von Wirtschaftsminister Michael Glos und Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (beide CSU). Letztere sind wahrscheinlich gerade mit anderen Sachthemen beschäftigt.

Auch das Gesundheitsministerium, geführt von Ulla Schmidt (SPD), ist bis heute in "umfangreiche Recherchen" im eigenen Haus vertieft. So schrieb es mir jedenfalls ihre Rechtsabteilung.
Ulla Schmidts Beamte bestehen auch immer noch darauf, erst die Sponsoren zu fragen. Es gehe nämlich um deren "Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse". Wer Beamte heimlich bezahlt, was macht der normalerweise? Neinneinnein, um Bestechung geht es hier natürlich keinesfalls, sondern um die "Einbeziehung der Gesellschaft", jedenfalls laut Innenministerium.

Pech, wenn einige in der Gesellschaft mehr bezahlen können und damit ihre Kontakte pflegen - und die anderen Teile der Gesellschaft nichts davon erfahren. Das scheint jedenfalls die typisch sozialdemokratische Auffassung von Ulla Schmidt zu sein.

Im Bildungsministerium erzählte man mir übrigens, mein IFG-Antrag sei der erste überhaupt gewesen. Kein Wunder, dass in einigen Ressorts noch ein bisschen die Übung fehlt.

Im Dezember rief ich bei mehreren Ministerien an, um mich nach dem Stand der Bearbeitung meines Antrags zu erkundigen. Überall meldete ich mich in der Telefonzentrale und fragte nach der "für das Informationsfreiheitsgesetz zuständigen Stelle". Die meisten Damen und Herren am anderen Ende der Leitung hatten keine Ahnung, an wen sie mich weiter verbinden sollten. Erst als ich mich als Journalist zu erkennen gab, stellten sie mich erleichtert an die Pressestelle durch. Ich frage mich: Was macht ein Nicht-Journalist in so einer Situation?

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