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Last Call Ein großer (S)hit für die Menschheit

Last Call: Ein großer (S)hit für die Menschheit

Briten sind sehr tierliebe Menschen. Sie halten 64 Millionen Haustiere, die meisten davon sind allerdings Fische. Von Fischen abgesehen, sind selbstverständlich Hunde die beliebtesten Tier der Insel, neun Millionen. Der Hund hat neben vielen bekannten Vorzügen auch den, klassenübergreifend zu wirken. Vertreter der upper class besitzen vorzugweise Labradore, Golden Retriever, Spanish Spaniels und Windhunde; wohingegen Menschen aus der lower class eher Rottweiler, Schäferhunde, Pudel und Dackel bevorzugen, die sie gern auch einkleiden. Die Königin mit ihren Corgis und Dorgis liegt genau dazwischen. Sie ist eine Art Mischling.

Gemeinsamer Nenner, klassenübergreifend, ist aber die Petiquette: Hunde werden tierisch geliebt. Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, warum die Nation größten Anteil nahm am jähen Ableben des preisgekrönten Irish Setter Thendara Satisfaction, Künstlername “Jagger”. Das Tier hatte in der vergangenen Woche an der größten und bekanntesten Hundeshow der Welt teilgenommen, den “Crufts” in Birmingham, und soll eben dort vergiftet worden sein. Sagen zumindest seine Besitzer. Die Veranstalter sagen, der Hund habe nach seiner Rückkehr in die belgische Heimat was Falsches gegessen – mit finalen Folgen. Das deckt sich offenbar mit frischen Obduktionsergebnissen. Allerdings: Auch "Jaggers" Kollegin, die Shetland-Hündin Myter Eye to Eye, Künstlername “Ariel”, war kurz vor ihrem Auftritt zitternd und kotzend aufgefunden worden. Was, wie Frauchen versicherte, nichts mit Lampenfieber zu tun hatte, sondern mit krimineller Energie und womöglich mit Neid. Denn “Ariel” gilt als “top bitch” und gewann mehr Preise als andere Hunde Würmer haben. Und als schließlich “Singing the Blues”, gleichfalls Shetland-Hund, schwächelte und hundsmiserabel aussah, schien klar, dass es bei der Mutter aller dog-shows zuging wie im Orient-Express von Agatha Christie. Die Polizei der West Midlands ermittelt nun vorsichtshalber.

Die Atmosphäre ist zunehmend vergiftet

Man muss allerdings sagen, dass die Atmosphäre auch ohne Giftmörder schon merkwürdig vergiftet war und sich vor allem britische Hundehalter vorab beklagten über eine zunehmende Zweiklassengesellschaft der Züchter. Und zwar nicht upper und lower class, sondern Profis und Amateure. Alte gegen Neue Welt. In Wahrheit machen amerikanische Züchter den lieben langen Tag offenbar nichts anderes als ihre Tiere zu chauffieren und Preise einzuheimsen.Sie lassen gewissermaßen ihre Hunde für sich arbeiten. Das ist für sie bequem, sorgt aber auf dieser Seite des Atlantiks für Ungemach, wo Hundehalter rechtschaffenen Berufen nachgehen müssen, um Futter für sich und ihre Hunde kaufen zu können. Einige sind sogar Postboten.

Der Tag ist vermutlich nicht mehr fern, da auch Dopingkontrollen eingeführt werden. Die Crufts sind nämlich so was wie die Olympischen Spiele für Hunde. Selbst geschummelt wurde dort schon immer. Usus beispielsweise, eine läufige Hündin kurz neben einen Rüden zu platzieren, sinnvollerweise direkt vor dessen Auftritt. Rüde sodann ganz wuschig und kirre und alles andere im Kopf als seinen Gig - Schwanz wedelt mit Hund, und schon ist der Preis schwupps. Klassiker natürlich: Abführmittel oder Beruhigungsmittel ins Futter oder falsche Kommandos vom Seitenrand brüllen. Obendrein gibt es bei den "Crufts" auch die bei Olympia üblichen Scharmützel etwas abseits. Was hier die Trainer, sind dort die Besitzer. Die Amerikanerin Rebecca Cross wurde dabei ertappt, wie sie ihren siegreichen Scottish Terrier “Knopa” an Genick und Schwanz packte und in die Höhe hob, größter Frevel und absolut verpönt in diesen Kreisen. 150 000 online-Petitionen gingen ein des Inhalts, der rüden US-Bürgerin den Titel abzuerkennen. Harmonisch ist anders.

Keine weiteren Corgis mehr im Palast

Solche Sachen passierten immer wieder und schon zu Zeiten vonQueen Victoria, die 1891 bei der allerersten Show mit ihren Hunden antrat und unter allgemeinem Grummeln auch eine Rosette für einen geteilten ersten Platz gewann. Elisabeth 2 hat noch nie mit ihren Corgis und Dorgis teilgenommen und ist dem Vernehmen nach nicht mehr ganz so hundeverrückt wie einst. Es wird keine neuen Hunde mehr geben im Buckingham Palace, weil die zur Stolperfalle werden könnten. Und das Letzte, was man der Königin wünscht, wäre ein Oberschenkelhalsbruch. Die Queen teilt ihre gesunde Abneigung gegen Hunde-generierte Stolperfallen im Übrigen mit ihren Untertanen. Eine Firma aus Nordwales hat soeben einen DNA-Test entwickelt, mit dem tierische Rückstände, vulgo: Kacke, dem Verursacher zugeordnet werden sollen. Hund muss Abstrich geben, und im Sündenfall wird dann geprüft, welches Geschäft auf dem Bürgersteig zu welchem Hund passt. Wie das in der Praxis aussieht und wer die Proben nimmt und so weiter, bleibt erst mal der Fantasie überlassen. Oder besser auch nicht. Das Verfahren soll jedenfalls laissez-faire-Halter abschrecken und funktioniert offenbar bereits im amerikanischen Knoxville, wo die Haufen quasi über Nacht verschwanden. Ein großer (S)hit für die Menschheit.

Grundsätzlich sind die Briten aber recht reinlich mit ihren Hunden. Sie mögen es geerdet und ziehen prinzipiell ländliche Veranstaltungen den großen Turboshows vor. Und zwar klassenübergreifend. Im Sommer durfte ich in Rockingham nordwestlich von London erleben, wie Hundemenschen aus ganz Europa versuchten, den Weltrekord im simultanen "Platz machen" zu knacken. Also die Hunde, nicht die Menschen. Das Ganze nannte sich "simultaneous dog stay", und es brauchte dafür 627 Tiere. Das Problem war das Wetter. Es regnete zwar cats and dogs, aber offenbar mehr cats, denn am Ende erschienen nur 219 Herrchen und Frauchen mit ihren Lieben, die kläfften und bellten und auch saßen für die vorgeschriebene Minute Hunde-Stillstand. Allein, es reichte nicht. Mensch und Tier standen wie begossene Pudel da. Der neun Jahre alte Weltrekord im "Super Sit" blieb bestehen. Aufgestellt in, na klar: Großbritannien.

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