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Last Call Kompliment – oder doch nur schwanzgesteuert?

Last Call: Kompliment – oder doch nur schwanzgesteuert?
Ein Anwalt macht einer Kollegin ein Kompliment. Die sagt "sexistisch". Wer spinnt jetzt? Keiner oder beide? Britannien jedenfalls staunt. Und Michael Streck auch. Doch die Lösung hat mal wieder seine Frau.

Auf Facebook gibt es ständig Nachrichten des Inhalts „xy“ hat sein/ihr Profilbild geändert. Man soll dann „gefällt mir“ klicken. Meistens tue ich das aus Gefälligkeit, obwohl ich in der Regel gar keinen Unterschied sehe zwischen altem und neuem Profilbild. Es sei denn, plötzlich sind Autos drauf oder Spaghetti oder Spieler von Borussia Dortmund. Und außer bei der Frau des Hauses. Sie änderte neulich ihr Profilbild einfach in das einer Kuh, schwarzbunt. Holsteiner. Ich habe nichts gegen Kühe. Es ist sogar eine schöne Kuh, eine Bilderbuchkuh. Das alte Profibild gefiel mir trotzdem irgendwie besser. Aber die Frau sagte: „Jetzt kriege ich wenigstens keine Anmacher-Post mehr.“

Die Frau hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Sharon Stone. Zumindest sagen ihr das oft und gerne wildfremde Menschen. Das war schon in Amerika so, dort sogar öfter. Aber auch in Großbritannien passiert es immer wieder. Komplimente sind ja ganz schön. Aber zu viele und zu anzügliche waren ihr zu viel. Deshalb jetzt Kuh. Bilderbuchkuh.

In Großbritannien sorgt nun gerade der Fall der jungen Rechtsanwältin Charlotte Proudman, 27, für Aufsehen, die auf LinkedIn, einer Art Facebook für Berufszwecke, ein Kompliment von dem erheblich älteren Kollegen Alexander Carter-Silk bekam, der a) ihr Profilbild als „stunning“, überwältigend, lobte und sich b) gleich auch dafür wieder entschuldigte, „horrendously politically incorrect“. Weil ihm entweder a) aufgefallen war, dass LinkedIn nicht die richtige Plattform für solche Schleimereien ist oder er b) ahnte, was auf ihn zukommen würde. Nämlich: Shitstorm.

Charlotte Proudman, Spezialgebiet: Menschenrechte, machte die Botschaft öffentlich und nannte sie auf Twitter „sexistisch, frauenfeindlich und komplett unakzeptabel“. Danach auch für sie: Shitstorm. Männer beklagten sich über einen feministischen Würgegriff und dass sie Frauen einfach keine Komplimente mehr machen dürfen, ohne gleich als schwanzgesteuerte Arschlöcher dazustehen. Und Frauen schrieben: richtig so! Sie bekämen permanent dämliche Post von Kerlen, „Sind Sie verheiratet?“, „Ich würde Sie gerne kennenlernen“, „Sie sehen total scharf aus!“, „Muslimin oder Christin?“ Sehr viele Frauen schrieben das und posteten peinliche Online-Statements von tatsächlich schwanzgesteuerten Arschlöchern.

Die Tante schimpfte. Vielleicht wird sie jetzt auch verklagt

Ich glaube, dass beide Seiten irgendwie Recht haben. Aber so richtig kann ich die Aufregung nicht verstehen. Ich frage mich auch gerade, was Frau Proudman und Mister Carter-Silk gemacht hätten, wenn sie sich nicht auf LinkedIn sondern bei, sagen wir, einer Anwaltsparty in irgendeiner Londoner Kneipe getroffen und ihr der alte Kollege gesagt hätte, dass sie schöne Haare hat oder einen dollen Pulli an oder dass er ihren letzten Aufsatz über die „rituelle Degradierung der Frau“ absolut großartig fand. Irgendwas in der Art, Kompliment jedenfalls. Bier ins Gesicht dann, analoges Äquivalent des Shitshorms?

Hinzu kommt, dass Frau Proudman auf Facebook selbst die Profile von Männern kommentierte und drunter schrieb „hot stuff“ oder „sexy“ oder genau eben auch „stunning“. Vielleicht ist sie auf Facebook aber auch nur privat unterwegs, und privat darf man „hot stuff“ und „sexy“ sagen und „oooolala“ schreiben. So muss es wohl sein.

Jedenfalls sind Proudman und Carter-Silk zur Zeit DAS Thema in Großbritannien neben dem neuen Labour-Chef. Die notorisch schreckliche „Daily Mail“ nannte sie eine „Feminazi“, im liberalen „Guardian“ stand daraufhin ein langer Besinnungsaufsatz über das Wort „Feminazi“. Wie beim Shitstorm: 1:1. Eine Tante von Frau Proudmann wurde auch noch gefunden und zitiert. Sie sagte sinngemäß, ihre Nichte habe nicht mehr alle Tassen im Schrank und sei keineswegs so ein Sensibelchen wie man denken könne. Proudmanhabe sogar mal die eigene Großmutter übel beleidigt – via E-mail. Vielleicht wird die Tante jetzt verklagt oder auf Twitter beschimpft von ihrer Nichte, die eigentlich gar nicht Proudman heißt. Ihr richtiger Name ist Charlotte Bailye. Sie fotoshoppte den Namen, er sollte feministischer klingen.

Das alles wäre gar nicht der Rede wert, bestenfalls ein Shitstorm im Wasserglas, wäre Charlotte Proudman oder Bailye eben nicht Anwältin für Menschenrechtsfragen. Wenn ich recht informiert bin, sind da draußen gerade ein paar Millionen Menschen unterwegs, die eine gute Menschenrechtsanwältin gebrauchen könnten. Aber Proudman fällt erst mal anderweitig aus und muss unentwegt Interviews im Fernsehen geben. Sie sitzt jetzt ständig irgendwo im Studio und redet über Männer und Frauen und Machos und Feminismus.

Der notgeile Anwalt fällt natürlich auch aus für wichtigere Dinge. Er kommentiert offenbar gern online. Sogar das Aussehen seiner Tochter, einer Fitness-Trainerin, „Yeee gods, she is hot“. Ganz normal ist das bestimmt nicht. Seine Kanzlei ist unterdessen schwerpunktmäßig damit beschäftigt, sich für ihn zu entschuldigen. Er sei keinesfalls frauenfeindlich. Vielleicht nur ein bisschen Hobby-Sexist.

Charlotte Proudman sollte es womöglich auch mit einem neuen Profilbild versuchen. Hund, Katze, Maus. Oder Kuh. Natürlich ist das eher was gegen Symptome, nicht Ursachen. Aber es hilft. Ich würde es glatt liken.

Und mich dann sofort entschuldigen.

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