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Oben ohne Wiedereinstieg ins Arbeitsleben

Nach langer Krankheit zurück in den Job zu finden, ist schwer. Viele Arbeitgeber wollen einen möglichst schnell loswerden, weiß Uta Melle. In Deutschland fehle es einfach zu oft an Solidarität.

Versetzen Sie sich mal in folgende Situation: Sie habe ein Jahr lang um Ihr Leben gekämpft, seelisch und körperlich gelitten, Zusatzausgaben haben die Haushaltskasse sehr beeinträchtigt, die familiäre Situation ist angespannt, der Körper geschwächt – einmal komplett runtergefahren.

Sie wollen arbeiten, Sie wollen es sich und allen anderen beweisen – aber was ist, wenn Sie versagen? Einen neue Job suchen? Nach all den Veränderungen auch noch das? Nein: Sie müssen den Anforderungen entsprechen. Ein enormer Druck baut sich auf. Einem solchen Druck erlag schon so mancher gesunde Mensch.

Der alte Arbeitsplatz hat sich verändert: die Arbeit konnte nicht liegen bleiben, neue Strukturen haben sich gebildet, andere Aufgabenfelder haben sich eröffnet. Manche Kollegen mussten das entstandene Loch füllen, sind eventuell schon von der Krankheit genervt, der Chef auch. Ein schlechter Nährboden für die Rückkehr. Offenheit, Flexibilität, Geduld und Rücksicht sind nun gefragt – und das von allen Beteiligten.

Vor allem die Geduld fällt vielen nicht leicht: weder dem Arbeitgeber, noch den Kollegen, noch einem selbst! Und dann macht und tut und schuftet man – doch irgendwie geht es nicht mehr so wie früher. Operationsnarben nerven, die Antihormontherapie macht einen launisch. Dann kommen die Nachsorgetermine hinzu, die zeitlich einschränken und jedes Mal Angst machen: die Sorge kann tagelang handlungsunfähig machen. Dadurch entstehen Konflikte, die man schwer allein lösen kann, weil man ja selbst die Ursache ist.

Aus dieser Situation kann oft eine Fatigue entstehen: Kraft und Lust weichen einer Müdigkeit, jede noch so kleine Aktion fällt schwer, eine schwere Depression kommt hinzu. Man wird handlungsunfähig.

Wirklich helfen kann einem in dieser Situation kaum einer. Generell sieht es folgendermaßen aus: Während der "kurativen Behandlung" (die vollständige Heilung, was die Krebserkrankung im engeren Sinn angeht) erhält man eine Krankschreibung. Werden eventuell auftretende Begleiterscheinungen und Folgen, wie Fatigue behandelt ("supportive Therapie"), muss die Krankschreibung immer neu vom Arzt verordnet werden. Zusätzlich erhält man eine Schwerbehindertenstufe, die einen offiziellen Kündigungsschutz beinhaltet.

Es gibt viele Arbeitgeber, die sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind und den erkrankten Angestellten unterstützen, wo sie nur können, um ihnen einen Wiedereinstieg zu erleichtern.

Leider überwiegt die Kehrseite der Medaille: Arbeitgeber, die ab dem Zeitpunkt der Erkrankung alles daran setzen, den Angestellten loszuwerden. Leider oft erfolgreich: Es gibt viele Möglichkeiten einen recht angeschlagenen Menschen zu vertreiben.

Sich gegen jemanden zu wehren, der einem kündigen will, ist schon als absolut gesunder Mensch fast ein Ding der Unmöglichkeit. Der durch den Schwerbehindertenausweis entstehende Kündigungsschutz hilft da auch selten – wer will schon in einem schlechten Betriebsklima arbeiten?

Hat man den Job erst mal verloren, wird es entsprechend schwierig einen Neuen zu finden: wer wird schon jemanden einstellen, der eventuell für ein Jahr oder länger ausfallen könnte?

Das Ganze ist ein fataler Teufelskreis, da die allgemeine Wirtschaftslage des Patienten sich durch die Krankheit eher verschlechtert: Zusatzzahlungen zu Behandlungen oder Hilfsmitteln belasten die Kassen eines Durchschnittsverdieners schon sehr.

Als Angehöriger oder Betreuungsperson eines Krebspatienten ist es auch sehr schwer: Die Frage des Sonderurlaubs ist je nach Arbeitgeber unterschiedlich geregelt. Grundsätzlich wird zwischen „vorübergehender Verhinderung“, „bezahltem Sonderurlaub“ und „unbezahlter Freistellung“ unterschieden und muss im Einzelfall verhandelt werden.

Aber auch als Kollege kann man hier helfen, wie das wunderbare Beispiel aus Frankreich zeigt, bei dem Mitarbeiter einer Firma ca. 1 Jahr bezahlten Urlaub gesammelt haben, so dass ein Vater sich um seine an Krebs erkrankte Tochter kümmern kann. Andere Möglichkeiten sind zeitweise Übernahme von Aufgabenfeldern, damit der Kollege die Möglichkeit auf Arbeitszeitverkürzung hat oder einfach ein wenig Rücksichtnahme.

Helfen können alle. Es gibt so viele Möglichkeiten: mit Besuchen am Krankenbett, Blumensträußen zur Genesung oder zur freundlichen Aufnahme in den alten Kollegenkreis am ersten Arbeitstag, Verständnis, Rücksicht, Geduld oder gar einem Urlaubstag für Angehörige: jeder kann helfen – Gemeinsam sind wir stark!

Nützliche Links:

Berliner Selbsthilfegruppe „Zurück ins Leben nach Krebs

Interview mit Sabine Schreiber, der Mitbegründerin der Berliner Selbsthilfegruppe

Bundesverband Fatigatio e.V. mit Selbsthilfegruppen

Patientenorganisationen deutsche Fatigue-Gesellschaft

„Blauer Ratgeber“ Fatigue

Arbeitsrechtliche Links von Inkanet

Lebenswert Köln

BRCA-Netzwerk: Wiedereinstieg (Seite zur Zeit im Aufbau)

Beratungsstelle Krebs und Beruf, Aurich

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