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Weiblich! Ledig! Na und? Er trug Hut, ist 29 und verhinderte mein Silvester allein

Um sich selbst ein wenig unter Druck zu setzen, hatte die Singlefrau sich für Silvester ein Ticket in einem Club gekauft. Eine gute Entscheidung, wie sich nach kurzer Zeit auf der Tanzfläche herausstellte.

Ich sah ihn im Gewusel der Tanzfläche, nur ein paar Meter von mir entfernt. Verstrubbelte Haare, die unter der Hutkrempe hervorlugten. Ein Vollbart, Strickjacke, verschmitztes Lächeln als sich unsere Blicke trafen. Ein Zufall. Aber ich guckte immer wieder hin. Er auch. Nach dem fünften, sechsten Blickwechsel kam er auf mich zu, blieb aber nur kurz stehen, rief mir zu: "Deine Frisur steht dir." Ich hörte auf zu tanzen, guckte ihm verdattert nach. Wie jetzt? Das war alles? Ich hatte in den vergangenen Wochen ein Faible für Männer mit Hut entwickelt.

Ich war seit einer guten Stunde in dem Club. Das neue Jahr schon ein paar Stunden alt. Der Silvestertag und -abend gingen viel schneller rum, als es mir lieb war. Ich saß nach dem Einkaufen noch lange in einem Café, guckte den hetzenden Menschen zu, dachte an mein zurückliegendes, turbulentes Jahr, freute mich auf 2016, was ähnlich aufregend zu werden verspricht. Während die ersten Böller knallten, ging ich laufen, belohnte mich anschließend mit Champagner. Kochte und aß, versuchte noch etwas zu arbeiten, musste aber immer wieder aufstehen, die Anlage lauter machen und eine kleine Tanzeinlage vor dem Bücherregal einlegen.

Heute war ein Abend zum Tanzen, wie gut, dass ich mir die Karte für die Party im Club unweit meiner Wohnung bereits gekauft hatte. Ich wollte selbst ein bisschen Druck ausüben, dass ich tatsächlich allein rausgehe - #noexcuses.

Aber erstmal klopften die Nachbarn. Sie sind so alt wie meine Eltern, kamen mit Freunden vom Essen und waren schon sehr heiter. Zusammen verbrachten wir die letzten eineinhalb Stunden bei Schnaps und Sekt. Von der Dachterrasse hatten wir einen wunderschönen Blick auf das Feuerwerk, bis die Stadt im Nebel lag. Sollte ich wirklich noch mal los? Ich könnte auch gleich ins Bett …

Und als ich da so stand und dem Mann mit Hut hinterherguckte, wusste ich: alles richtig gemacht. Ich hatte mich gar nicht erst lang an den Rand gestellt, sondern einen Gin Tonic bestellt und war mitten in die hiphoppende Menschenmenge hinein. Von der ließ ich mich jetzt zu dem Hutträger schieben. Als ich vor ihm stand, grinste ich ihn an, sagte: "Und dir steht der Hut gut." Nüchtern betrachtet, ziemlich dusselig. Aber wen interessiert das um drei Uhr am Neujahrsmorgen? Wir tänzelten umeinander rum. Ohne darüber gesprochen zu haben, gesellte er sich an meine Seite, wenn mich ein schräger Vogel antanzte, holte mir Wasser, ich kaufte uns Schnaps. "Du tanzt richtig, nicht dieses Eins-Zwei-Tipp, sondern so selbstbewusst, so kraftvoll." So hingeschrieben klingt es furchtbar. Der Hutmann sagte es so, dass ich mich freute.

Hak dich unter, ich zeig dir die Nacht
Eigentlich lasse ich die Dinge ja immer erst sacken, bevor ich sie aufschreibe. Eigentlich müsste ich am Schreibtisch sitzen und mein Buch korrigieren. Aber der Abend, der Morgen, also dieses Silvester, das so entspannt, ruhig und allein ablaufen sollte, macht das unmöglich. Ich bin vollkommen durch den Wind. Fröhlich, glücklich, aber ich fass es einfach nicht. 2016 fing so verrückt an, wie 2015 durchgängig war.

Der Hutträger und ich tanzten bis die Tanzfläche fast leer war. Ich wollte nach Hause. Mit ihm? Wir hatten nicht viel geredet. Ich wusste noch nicht mal seinen Namen. Und ich sagte trotzdem "ja" als er vor der Tür fragte, ob ich noch in den nächsten Club mitkomme. Ich hakte mich bei ihm unter und wir stolperten durch den Regen über die verdreckten Straßen. Mittlerweile wusste er, dass ich neu in der Stadt bin, er wollte mir ein paar Clubs zeigen.

Jung, schüchtern, zum Knutschen
Der erste spielte zu schrille Elektromusik, der zweite zu langweiligen HipHop, beim dritten schickte mich Basti vor (ich hatte dann doch mal nach dem Namen gefragt), um den Türsteher zu bezirzen, damit wir noch die letzte halbe Stunde ohne Eintritt tanzen konnten. An der Bar gab es nur "Schnaps oder Flaschen". Klare Ansage. Auf dem Weg zum vierten Club sagte Basti: "Schön, dass du mitziehst, macht mehr Spaß als allein." Das klang irgendwie sehr freundschaftlich, nicht flirtig. Ich erzählte von meinem Silvester-allein-Plan.

Irgendwann wollten sich unsere Beine nicht mehr bewegen. Wir hockten uns auf einen Kasten am Rand der Tanzfläche, tranken Wasser. Basti fragte mich nicht aus und wollte auch nicht viel erzählen, hatte ich den Eindruck. Dennoch war er mir extrem sympathisch. Mir war klar, dass er jünger war, ein bisschen schüchtern. Ich wollte knutschen, merkte, dass ich den Anfang machen muss. Er zögerte nicht und erwiderte den Kuss. So ungehemmt in der Öffentlichkeit hatte ich zuletzt vor mehr als einem Jahr geknutscht. Kann das bitte nicht mehr aufhören?!

Es war kurz nach sieben, als wir wieder frische Luft atmeten. Ich hatte den Hut auf, wusste jetzt, dass Basti 29 ist und meine Lippen waren ganz wundgeknutscht.
"Taxi zu mir oder zu dir?", fragte ich. So kann die Neujahrsnacht ja nicht enden.
"Zu dir. Ich wohne in einer WG." Oh weia, ob ich mir den Ausweis zeigen lassen sollte?
Zu nervös für Sex
Es dämmerte, als wir meine Wohnung betraten. Erst jetzt fiel mir auf, wie ausgelatscht seine Schuhe, wie löchrig die Hose, wie abgeranzt der Parker war. Ihm war es unangenehm und gleichzeitig war er fasziniert, dass ich anders lebe, älter bin als ich aussehe. Wir ließen die stinkenden Klamotten im Flur, duschten lange unter der Regendusche, bislang hatte ich diesen zweiten Brausekopf ja für überflüssig gehalten. Wir schlüpften unter die Decke. Anstatt wild übereinander herzufallen, kuschelten wir uns aneinander, hielten uns fest, jetzt erzählte er mehr, auch dass er nervös sei, dass er selten so viel im Bett gelacht hätte. Hätte mich jemand gestern Morgen gefragt, ich hätte gesagt, ich sei ausgehungert, giere nach Orgasmen. Jetzt wehrte ich mich nicht gegen sie, aber sog geradezu die Nähe und Intensität auf. Ich wäre gern mit Basti eingeschlafen, aber er musste nach einem Kaffee und einem letzten Tanz los. Faltete mir eine Blume aus einer Karteikarte, die er aus seiner Parkatasche zog. Er wollte meine Nummer nicht. Gab mir seine. Offensichtlich soll ich entscheiden, ob wir uns wiedersehen.

Der Singlefrau kann man hier auf Twitter folgen.

Die Facebook-Seite der Singlefrau findet man hier.

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